Kultur

Das taiwanesische Dokumentarfilmfestival lädt zum Hinterfragen ein

Nach drei langen Corona-Jahren war es wieder soweit, das ERCCT (European Research Centre on Contemporary Taiwan) veranstaltete im Kino Arsenal vom 25. bis zum 26. November 2022 das taiwanesische Filmfestival, in seiner sechzehnten Runde. Dieses Jahr stellt Direktor Lee Hui-jen 李惠仁  seine investigativen Dokumentarfilme vor, mit dem Ziel, Aufmerksamkeit  von den Schlupflöchern während der Vogelgrippe-Epidemie bis hin zur chinesischen Propaganda in der taiwanesischen Medienlandschaft zu schaffen.

Aber wer ist  Lee Hui-jen 李惠仁 ?

Lee Hui-jen 李惠仁. © Jana Svetlolobov

Im Jahr 2008 verließ der Dokumentarfilmer Lee Hwee-jen seine 15-jährige Karriere beim kommerziellen Fernsehen und wendete sich seinen selbstständigen Projekten zu, indem er sich mit korrupter Bürokratie auseinandersetzt und den Autoritarismus in Frage stellt.

Zehn Jahre nach seinem Abschluss bei den Mainstream-Medien wurde Lee 2018 mit dem “Excellence in Journalism Award for Special Contribution to Journalism” ausgezeichnet, der höchsten Auszeichnung in Taiwans Journalismusbranche.

Einige seiner bekanntesten Werke sind  „Self-Censorship“ 控制,  in dem  er auf die propagandistischen Einflussnahmen Chinas in der taiwanesischen Medienlandschaft, die Taiwan nicht als eigenes Land anerkennen, aufdeckt. Und  “The Secret That Can’t Be Poked”, der die Vogelgrippe-Epidemie und die Vertuschungs- und Dokumentfäschung im Land aufdeckte.

Eye on the Left 睜開左眼 

Als die Kupferblau das Arsenal um kurz vor zwei betritt, sind die Sitzplätze noch nicht gefüllt. Nur einige Rentner*innen und vereinzelte Student*innen besetzen die Kinostühle. Bei einer Vorstellung um 14:00 Uhr an einem Freitag ist das nun mal das einzige Publikum, das erscheinen kann.  Auch den Regisseur, Lee Hui-jen 李惠仁, sieht man eine Reihe weiter.  Auf seinem Gesicht ein entspanntes Lächeln, als nach und nach auch die restlichen Sitze gefüllt werden und zunächst Prof. Schuhbert , Ansprechpartner des ERCCT, und Dr. Dieu Ian-Tsing, der Ansprechpartner für die Taipeh, begrüßen die Gäste herzlichst. Bevor die Lichter  gedimmt werden und die erste Dokumentation des Tages gezeigt wird: Eye on the left 睜開左眼 .  

Dr. Dieu Ian-Tsing. © Jana Svetlolobov

Die Dokumentation beschäftigt sich anhand der Reflexionen von fünf Kameramännern mit dem Produktionsprozess der Fernsehnachrichten in Taiwan, einschließlich des in den letzten Jahren am meisten kritisierten “eingebetteten Marketings” und der “von der Industrie zugewiesenen Nachrichten”. Mit seinen sechsundfünfzig Minuten schaffen es die Bilder, einen kleinen Einblick in die Welten der Männer und Frauen zu zeigen, die unsere tägliche Nachrichtenzufuhr erst möglich machen.  Und zugleich die Schwierigkeiten ihrer Arbeit, die psychologische Belastung und auch der Umgang der Gesellschaft mit ihrem Beruf.

“Eine Frau zeigte auf uns und sagte ihrem Kind: Wenn du später größer wirst, werd nicht so wie er! Dabei habe ich nur meine Arbeit gemacht.”

Kameramann aus Eye on the left 睜開左眼

Gleichzeitig lässt sich die Dokumentation als bildliche Metapher des Regisseurs betrachten,  nicht mehr mit dem rechten Auge in die Kamera zu schauen, sondern seine Umgebung mit beiden Augen zu betrachten und  nicht mehr alles in der Gesellschaft und im Leben zu übersehen.

Was macht das taiwanesische Filmfestival besonders?

Regisseur Lee Hui-jen 李惠仁 und Prof. Schuhbert. © Jana Svetlolobov

Obwohl einige der Dokumentationen auf Youtube zu finden sind, sind diese meist nur auf Chinesisch und ohne Untertitel hochgeladen. Das Filmfestival zeigt die Dokumentationen jedoch mit englischen Untertiteln und ist somit insbesondere auch für Besucher*innen interessant, die kein Chinesisch sprechen. Außerdem gibt es die Möglichkeit sich selbst mit dem  Regisseur Lee Hui-jen 李惠仁, der zu diesem Zweck aus Taiwan angereist ist, zu unterhalten und ihm Rückfragen zu dem Verlauf, Produktion oder auf eigenem Werdegang zu stellen. Und zuletzt bietet das Festival eine Gelegenheit, mehr über die Problematik innerhalb Taiwans aus der Sicht eines Einheimischen  zu erfahren. Insbesondere, da über den Direktor nur  wenige Artikel auf Deutsch oder Englisch zu finden sind.

Abschließende Worte und: Vorhang!

Es ist anzumerken, dass die zeitliche Auslegung  der Veranstaltung teilweise kontraproduktiv hinsichtlich des Ziels war, Aufmerksamkeit auf die Dokumentationen zu lenken, da zu manchen der Vorführzeiten des Festivals nur ein sehr beschränktes Zielpublikum kommen konnte. 
Nichtsdestotrotz bietet das Festival den Besucher*innen eine etwas andere Perspektive auf das Medium Dokumentarfilm und lässt Raum für Reflexion über die Ähnlichkeiten und Unterschiede der gesellschaftlichen Probleme

Fotos: Jana Svetlolobov.  

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