Hagen Wagner präsentiert am 21. April 2023 im Brechtbau seine Bachelorarbeit zum Thema Overview Effekt als rhetorischer Fall
Unileben Wissenschaft

Unsere Welt von oben: Der Overview Effekt mal rhetorisch

Am Freitag, den 21.04.2023, hat das Seminar für Allgemeine Rhetorik in den Brechtbau eingeladen. Passend zum World Earth Day hält Hagen Wagner einen Vortrag mit dem Titel “Botschaften aus dem Weltall: die rhetorische Dimension des Overview Effektes”. Mit viel Charme und Begeisterung erweitert er den Horizont der Anwesenden im Themenkomplex Rhetorik und Astronomie.

Am 22. April ist der World Earth Day, welcher jährlich den Fokus auf das Spektrum des Umwelt- und Klimaschutzes legt. Hagen Wagner, Bachelorstudent der Allgemeinen Rhetorik, hat dies zum Anlass genommen, an diesem Freitagnachmittag seine Forschung rund um den Overview Effekt und dessen rhetorische Dimension vorzustellen. Im Rahmen seiner Bachelorarbeit hat er sich ausgiebig mit diesem Phänomen auseinandergesetzt und eigens Initiative ergriffen, um heute auch anderen Einblicke in seine Erkenntnisse zu gewähren.  Eröffnet wird der Vortrag pünktlich um 10 Uhr c.t. von Dr. Frank Schuhmacher, akademischer Mitarbeiter des Seminars. 

Philosophischer Perspektivwechsel

Sogleich übergibt Schuhmacher Hagen das Wort. Der holt seine Zuschauer*innen mit dem bekannten Gemälde “Der Wanderer über dem Nebelberg” von Casper David Friedrich ab und weist auf die Bedeutung eines Perspektivwechsel hin. Das Sich-bewegen und von neuen Positionen Bekanntes neu betrachten, das wird bei Friedrichs Gemälde deutlich. Eben darauf verweist auch der daraufhin vorgestellte und detailliert erläuterte Overview Effekt. Dieser beschreibt nämlich, um bei den Worten von Frank White (Philosoph) zu bleiben, ein visuelles Beobachtungsphänomen, das den Blick auf die Erde verändert.  Das Betrachten der Erde aus dem All aus, ca. 400 km von ihr entfernt – das ist bisher nur knappen 600 Menschen vorbehalten geblieben. Hagen konzentriert sich sowohl in seiner Bachelorarbeit als auch in diesem Vortrag auf den Overview Effekt, wie er von Astronaut*innen erlebt und beschrieben wird. Für Astronaut*innen wird das Sehen der Erde in einer Totalansicht als Schlüsselerlebnis beschrieben. 

Hagen Wagner schafft es in seinem Vortrag, Kants Philosphie für das Publikum verständlich mit seinem Thema zu verknüpfen. (Foto: Jule Rona Eccard)

Wenn Kant verständlich wird

Hagen bringt das beschriebene Gefühl in Verbindung mit Kants Begriff des Erhabenen aus dessen Kritik der Urteilskraft.

“Im Gefühl des Erhabenen in der Natur finden wir Achtung für unsere eigene Bestimmung”

Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft

Obwohl Kant bekanntlich nicht gerade leichte Kost ist, gelingt es Hagen, Kants Gedanken, mit dem Motiv des Overview Effekts verständlich zu verknüpfen. Auch wenn zu Kants Zeit Raumfahrt noch nicht aktuell war, waren Menschen beispielsweise von der Größe der Pyramiden von Gizeh überwältigt. Eben jene Konfrontation mit der unfassbaren Größe beschreibt Kant als das mathematisch Erhabene. Die Totalansicht unserer Planeten aus dem All ist demnach ebenso eine Begegnung  mit dem Erhabenen, aus dem sich für die jeweiligen Betrachter*innen das Gefühl der Achtung für die Erde ergibt. 

Das Raumschiff Erde

Hagen hat im Rahmen seiner Arbeit neben den theoretischen Verbindungen zwischen dem Overview Effekt und der Rhetorik auch Interviews und Videobotschaften von Astronaut*innen analysiert, um herauszufinden, wie der Overview Effekt kommuniziert wird und welche Konsequenzen sich für die Astronaut*innen aus dem Erlebnis ergeben. Eines seiner Beispiele ist eine Videobotschaft von Vulkanologe und Astronaut Alexander Gerst mit dem Titel “Nachricht an meine Enkelkinder”.

“Nachricht an meine Enkelkinder” von Alexander Gerst.

Gemeinsam schauen sich die Anwesenden das knapp sechsminütige Video an.  Im Dialog mit seinem Publikum arbeitet Hagen die drei wesentlichen Aspekte heraus: Krieg, Klimaverschmutzung und Ressourcenknappheit. Was als Nachricht an die Enkelkinder gelabelt wird, ist eigentlich ein Aufruf an uns alle, mit unserem Planeten, diesem kleinen Raumschiff Erde, mit dem wir uns durch die Weiten des Weltalls bewegen, achtsamer umzugehen.  Auf allen Fotografien, in allen Aufnahmen von der ISS strahlt einem inmitten von Dunkelheit und Schatten die Erde blau-grün entgegen; Hagen bezeichnet sie an einer Stelle daher passend als Diamanten: “Und dann sieht man diesen Diamanten und denkt sich so: ‘Ist schon irgendwie krass, oder?'”

Das Thema einer Bachelorarbeit kann auch für andere interessant sein, wie dieses Beispiel aus der Rhetorik zeigt.
(Foto: Jule Rona Eccard)

Und ja, es ist krass! Da können alle Anwesenden am Ende nur zustimmen.  Hagen beendet seinen Vortrag  mit einem erneuten Blick auf Casper David Friedrichs Wanderer. Statt Nebel und Bergen ist diesmal aber vor allem eines im Fokus: die gephotoshoppte Erde! Abgerundet wird der Vormittag durch eine kleine Diskussionsrunde, in der die Anwesenden Fragen stellen und ihre Gedanken zu dem Thema austauschen können.

Mit Charme und Witz

Über den gesamten Vortrag gelingt es Hagen, mit Charme und einer kleinen Prise Humor die Anwesenden an seiner Begeisterung für die Thematik teilhaben zu lassen. So schafft er es zum einen, dass alle mit neuem Wissen und einem Verständnis des Overview Effektes den Raum verlassen und zum anderen, die Bedeutung eines achtsamen Umgangs mit unserem Lebensraum aus einer anderen Perspektive zu unterstreichen. 

Außerdem hat dieser Vortrag gezeigt, dass die eigenen wissenschaftlichen Arbeiten auch für andere interessant sein können und man mit etwas Eigeninitiative schon viel erreichen kann.

Titelbild: Jule Rona Eccard

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