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Evergreens: Greenwashing oder wie man die dreckige Wäsche wäscht

Im Supermarkt ist das Wort ‚Bio‘ omnipräsent, Startups präsentieren sich immer öfter als klimafreundlich oder vegan. Wenn eine Marke sich unabhängig von der respektiven Industrie in ein gutes Licht stellen will, dann mit der Farbe grün, Umweltsiegeln oder Worten wie recycling. Auf ihren Produkten stehen Buzzwords wie less CO2, plastic reduced, oder sustainability. Warum sind Produkte oder Marken mit solchen Labels noch lange nicht umweltfreundlich, obwohl sie sich so beschreiben? Ein Kommentar zu Greenwashing.

Das Ding mit der Verpackung

Ich habe mir neulich eine bunte Packung Brausetabletten gekauft – schön quadratisch, mit einem rot und pinken Verpackungsdesign, auf dem runde Beeren, Blätter und Blüten auf einen fruchtigen Geschmack hindeuten. Neben den Inhaltsstoffen und einer ausführlichen Beschreibung wie die Brausetablette dann in Wasser zu schmecken hat, findet man nicht viele weitere Texte oder Siegel.

Die gemeine Brausetablette

Nachdem man allerdings die Verpackung stylisch aufgedrückt hat (man schiebt das Verpackungsinnere quasi wie ein Schublade aus der Verpackung) kommt schon der erste Graus: Alle Brausetabletten sind einzeln in Plastik eingepackt. Wer den Karton also mit der Absicht kauft, konkurrierende Plastikprodukte zu vermeiden, hat leider trotzdem das nächste Plastikprodukt erworben.

Aber keine Angst, der Hersteller war sich dessen bewusst: Im Inneren, gleich hinter den vielen kleinen Plastikverpackungen, versteckt sich ein fettgedruckter Schriftzug: „Trink mehr Wasser, lass das Plastik sein.“ Nachdem ich den Karton ausgeleert habe, finde ich außerdem in Deutsch, Englisch und Französisch den Hinweis, dass ich für den Kauf des Produkts eine Plastikflasche recycelt habe. Super! Außerdem habe ich noch ein kleines rundes Siegel freigelegt: „spart bis zu 98% Plastik und CO2“. Oha. Großes Kino. Da habe ich ja bis zu 98% vom ganzen Produkt klimaneutral und nur 2% Plastik gekauft! Trotzdem sind 50% der Verpackung schon aus Plastik, es sieht auf den ersten Blick nur nicht danach aus.

Auf einer Verpackung nimmt die absichtliche Platzierung von „Klimafreundlichkeit“ eine sehr persönliche Dimension an. Eine Firma kann so, die eigene dreckige Wäsche endlich reinwaschen: Direkt im Gesicht des Kaufenden oder wie bei meiner Brause, heimlich.

Greenwashing 101

Meine Brausetabletten sind hierbei aber kein Einzelfall; mit Marketing und Design wird versucht, ein klimafreundliches Image aufzubauen, was heutzutage überwiegend moralisch positiv und als erstrebendswert empfunden wird. Bei dem stetigen Anstieg von Bioprodukten auf dem Deutschen Markt (satte 6,8% in 2021) und der erhöhten Konsumentennachfrage für “grüne” Produkte kann man sicher daraus schließen, dass es einen Vorteil darstellt, wenn Marken sich als “grüne” Marke etablieren.

Täuscht eine Marke aber mit einem “grünen” Image, dann heißt das nicht Klimafreundlichkeit sondern: Greenwashing. Greenwashing bezeichnet allgemein die Bemühung eines Unternehmens durch dessen Marketing oder Werbung, sich als fälschlicherweise umweltfreundlich darzustellen.

Waschen ohne Ende

Allein der Fakt, dass diese Methode von der Autoindustrie benutzt wird, sollte die ein oder andere Augenbraue heben. Beim Greenwashing gibt es allerdings Abstufungen, die TerraChoice, eine Firma für Umweltberatung, nach einer Studie als die sieben Todsünden des Greenwashing bezeichnet hat:

  1. Die Sünde des versteckten Deals: Einem Produkt wird ein umweltfreundliches Attribut zugeschrieben, wobei ein anderes ignoriert wird. Wenn eine Brausetablettenfirma also auf seinen CO2 Abdruck und Plastikeinsparung hinweist, aber die eigentliche Sünde die Inhaltsstoffherstellung ist, dann handelt es sich um einen versteckten Deal.
  2. Die Sünde, keinen Beweis zu haben: Eine Firma behauptet das eigene Produkt sei umweltfreundlich, ist allerdings nicht in der lage es zu belegen bzw. belegt es einfacherweise nicht. So kann eine Brausetablette z.B. 98% CO2-sparender sein, einfach so.
  3. Die Sünde der Ungenauigkeit: Eine Produktbeschreibung definiert vage, was die umweltfreundliche Behauptung bedeutet. So kann meine Brausetablette bis zu 98% plastiksparender sein, aber auch genau so 1%. Bonuspunkt: Im Vergleich zu was ist es plastiksparender?
  4. Die Sünde des falschen Labels: Ein Produkt macht durch ähnliches Design den Anschein, dass es mit einer Drittpartei (wie einer Umweltorganisation oder einem Bio-Siegel) eine Affiliation mit dieser Drittpartei hat. Da konnte sich die Brausetablette noch retten.
  5. Die Sünde der Irrelevanz: Eine Behauptung, die Umweltfreundlichkeit unterstützt, aber irrelevant für das Produkt ist. Wenn ich z.B. dem QR-Code zur sustainability in der Brausetablettenverpackung folge, werden Vergleiche mit der konkurrierenden Industrie gemacht, was mich wirklich sehr und überzeugend von der eigenen Brausemarke und Brausesünde ablenkt. Bonuspunkt: Der*die Verbraucher*in wird auf Firmenaccessoires wie etwa Flaschen aus Glas hingewiesen, die bekanntlich umweltfreundlicher als Plastik sind. Dadurch wird man von der ursprünglichen “Sünde” abgelenkt.
  6. Die Sünde des Kleineren von zwei Übeln: Eine Behauptung, die zwar in der respektiven Industrie oder Branche wahr ist, aber im allgemeinen Umweltdiskurs nicht wahr ist. Meine Brausetablette könnte beispielsweise auf der Plastikeinsparung herumreiten, ohne je auch nur ein Wort davon erwähnt zu haben, wie sie die eigentlichen Inhaltsstoffe eigentlich erwirbt.
  7. Die Sünde des Lügens: Eine Behauptung, die eine reine Lüge ist. Dem kann ich meine Brausetablette nicht bezichtigen.

Waschen Waschen Waschen

Wenn die eigene Brausetablettenverpackung auf einmal zum Umweltschützer wird, dann sollte man im Hinterkopf behalten, dass es einen Vorteil für Marken darstellt, sich als “grün” auszugeben. Es könnte sich um eine Ablenkung vom eigentlichen Problem, eine beweislose Behauptung, eine vage Anmutung, einem unglaublich ähnlichen Siegel, etwas gänzlich Irrelevantes, oder gar um eine komplette Lüge handeln. Wenn du also nächstes Mal einen großen „Bio“ Aufdruck siehst oder eine Firma mit ihrer Umweltfreundlichkeit als Hauptverkaufspunkt wirbt, schau gerne zwei Mal hin. Und wenn das nicht genug ist, folge gerne dem QR-Code auf der Verpackung, wo bestimmt nicht geflunkert wird. 

Bilder: Pixabay

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