Barrieren

Studierst du noch oder lebst du schon?

Im Wintersemester 2021/22 waren 2,95 Millionen Studierende an deutschen Hochschulen immatrikuliert – pro Jahr beginnen rund 472.000 hoffnungsvolle Schulabgänger*innen ein Bachelorstudium. Laut der Sparkasse gehört ein Studium, neben einer privaten Altersvorsorge, zu den größten finanziellen Belastungen, denen sich Menschen aussetzen können. Wir haben uns die finanzielle Barriere, auf die viele Studierende stoßen, ein bisschen genauer angeschaut. 

Harte Zahlen und ungeschminkte Fakten

Schätzungen zufolge benötigt ein unverheirateter Studierender pro Monat durchschnittlich 918 Euro, um zu leben. Inkludiert sind: Wohnkosten, Lebensmittel, Fahrkosten, Kleidung, Kommunikation, Lernmittel, Versicherung, Arztkosten, Semestergebühren und Hobbys.
Der Durchschnitts-Studierende in Deutschland immatrikuliert sich an einer staatlichen Universität und bezahlt zwischen 150 Euro und 250 Euro als Semesterbeitrag. Besagter Studierender hat auch mit einem Arbeitspensum von 20 bis 40 Stunden pro Woche zu rechnen, zusätzlich zu den Vorlesungen und Seminaren, was alles auch abhängig vom Studiengang und angestrebtem Abschluss ist. Angesichts dieser harten Zahlen scheint kaum Zeit für einen Nebenjob zu bleiben, der die Miete und, ganz pauschal, das (Über)leben zahlt. 

Der Eindruck bleibt: Studieren, das kann sich nicht jede*r leisten. Die Zeiten, in denen nur Kinder von Ärzt*innen oder Anwält*innen studieren konnten, scheinen nicht allzu weit weg zu sein, Dank horrender Mietpreiserhöhungen sowie den steigenden Kosten für Lebensmittel und Fortbewegung. Kurzum: Die finanzielle Barriere, die vielen Studierenden bisher Kopfschmerzen bereitet hat, ragt in Zeiten der Inflation noch viel höher vor ihnen auf, als je zuvor. 
Natürlich gibt es einige Finanzierungsmöglichkeiten, die potentiellen Studierenden offen stehen.

Viel Kleingeld liegt auf einem Haufen. © Pixabay

Finanzierungsmöglichkeiten für ein Studium in Deutschland 

Die lieben Eltern 

Während der Schulzeit sind unsere Eltern im Regelfall die erste Anlaufstelle für finanzielle Sorgen. Da kann es durchaus ein kleiner Schock sein, mit den harten Zahlen der Realität konfrontiert zu werden: Wer noch nie Miete bezahlt, eine Kaution aufgebracht, Lebensmittel selbst eingekauft oder eine monatliche Zugfahrkarte erworben hat, ist im viel zu romantisch verklärten Moment des Flüggewerdens keineswegs glücklich und erleichtert. Es wundert kaum, dass die Zahl der noch im Elternhaus lebenden Studierenden stetig gestiegen ist: 2019 wohnten rund ein Viertel aller Student*innen in Deutschland noch in ihrem Elternhaus. Aber natürlich ist das nicht für jede*n eine Option – je nach Studiengang und Abschluss bleibt einem ein Umzug in eine (Groß)Stadt nicht erspart. Hier sind dann bei vielen Studierenden wieder die Eltern gefragt. Das Bürgerliche Gesetzbuch (§1601) äußert sich zu diesem Thema: Eltern, als Verwandte in gerader Linie, seien grundsätzlich dazu verpflichtet, ihren Kindern Unterhalt während einer Ausbildung zu bezahlen. Laut Verbraucherzentrale seien für die elterliche Finanzierung eines durchschnittlichen Bachelorstudiums rund 35.000 Euro zu berappen. Egal, wie fein formuliert die Regeln des BGB zum Thema Unterhaltspflicht sind – nicht jede Familie kann eine solche Summe aufbringen. In Deutschland wird das zwar gerne vergessen, aber auch hier gibt es viele Menschen, deren Einkommen deutlich unter dem des Durchschnitts liegt, die „arm“ sind. Der Paritätische Armutsbericht für das Jahr 2022 zeigt, dass die Armut in Deutschland einen neuen Höchstwert erreicht hat, dank Pandemie und Inflation. Wenn also die Eltern ein Studium nicht (mehr) finanzieren können, so müssen andere Wege gefunden werden.

Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) 

468.000 Student*innen haben im letzten Jahr Leistungen nach dem Bafög erhalten. Im Schnitt beläuft sich der Förderungsbetrag auf 562 Euro pro Monat. Der derzeitige Höchstsatz beträgt 934 Euro. Während diese Zahlen erst einmal recht positiv für studentische Ohren klingen, darf man jedoch nicht vergessen, wie aufwendig der Prozess des Bafög-Beantragens ist. Jede*r Studierende*r kennt mindestens eine abschreckend negative Geschichte zu diesem Thema: Seien es unendlich lange Bearbeitungszeiten, während das Semester schon längst begonnen hat, man containern geht und sich von Toast und Ketchup ernährt. Seien es die komplizierten Formulare, die auch nach dem fünften Einreichen noch nicht perfekt ausgefüllt sind und zurückgeschickt werden. Oder auch die oftmals unhöflichen Beamt*innen, deren Sprechzeiten sich auf jeweils zwei Stunden an zwei Tagen in der Woche beschränken. Klickt man sich durch die Bafög-Ämter der Universitätsstädte, so schreiten negative Erfahrungsberichte wie soldatische Kolonnen auf dem Bildschirm auf und ab, Hand in Hand mit durchschnittlich 1,5 von 5 Sternen als Googlebewertungen. Doch der wohl größte Faktor, den es zu beachten gilt, wenn man mit dem Gedanken an einen Bafög-Antrag spielt, ist der der Verschuldung. So erklärt es auch Dieter Dohmen, Gründer des Forschungsinstitutes für Bildung und Sozialökonomie: „Die Angst vor der Verschuldung führt tatsächlich dazu, dass ein erheblicher Teil junger Menschen keinen Bafög-Antrag stellt.“ Laut Dohmen stellen mehr als die Hälfte aller Student*innen keinen Antrag und über 25% dieser Gruppe gibt als Grund die Angst vor einer Verschuldung an.  

(Private) Kredite und Stipendien

Wie bereits festgestellt, verzichtet ein Großteil der Studierenden auf das Bafög, um nicht mit einem Schuldenberg das Studium zu beenden – dementsprechend wenige Student*innen greifen auf anderweitige Kredite zurück. Dennoch gilt es, zumindest den bekanntesten Studierendenkredit Deutschlands zu erwähnen: Der KfW-Studienkredit. Dieser wirbt mit flexiblen Auszahlungen von 100 bis 650 Euro im Monat (diese können jeden Monat neu angepasst werden) und kann ebenfalls recht flexibel, mit Zinsen, zurückgezahlt werden. Der Zinssatz ist variabel und wird für jeweils ein halbes Jahr festgelegt. Im Normalfall erfolgt die Rückzahlung des Kredits über zehn Jahre. Der KfW-Studienkredit kommt zum Beispiel für Studierende in Frage, die zu alt sind, um Bafög zu erhalten (im Regelfall über 45 Jahre). 

Ein weiterer Weg der (Teil)finanzierung eines Studiums sind zum Beispiel Stipendien. Oft schrecken Studierende vor dieser Möglichkeit zurück, da sie die Konditionen nicht genau kennen und annehmen, sie kämen für ein Stipendium sowieso nicht in Frage – allerdings sind diese oft einfacher zu erhalten, als gemeinhin bekannt ist. In Deutschland gibt es 2.500 private Stipendiengeber*innen. Das Deutschlandstipendium ist mit Sicherheit das Bekannteste. Dieses fördert Studierende, deren „bisheriger Werdegang herausragende Studienleistungen erwarten lässt“ mit 300 Euro im Monat (nachzulesen auf www.deutschlandstipendium.de). Das Deutschlandstipendium kommt auch für diejenigen in Frage, die bereits Bafög erhalten.
Aus der Vielzahl an möglichen Stipendiengeber*innen können Interessierte sich gezielt auf Stipendien parteinaher Stiftungen, religiöser Stiftungen oder auch staatlicher Stiftungen bewerben. 

Arbeiten 

Last but not least nehmen wir uns die Nebenjobs vor. Laut der Wirtschaftswoche gehen rund Dreiviertel aller Studierender einer Nebentätigkeit nach – ein Drittel davon arbeitet als studentische oder wissenschaftliche Hilfskraft an einer Universität oder Hochschule. Beliebt sind auch Bürotätigkeiten, Nachhilfeunterricht und natürlich Einzelhandel- und Gastrojobs. Wie bereits zu Beginn des Artikels erwähnt, gibt es aber auch Studierende, deren universitäres Arbeitspensum einen Nebenjob nicht zulässt: Laut einer Studie der Universität Konstanz verbringen angehende Veterinärmediziner*innen zum Beispiel über 44 Stunden wöchentlich nur mit Lernen, die Vorlesungen nicht einberechnet. Dicht gefolgt von Student*innen der Zahnmedizin (mit 42,5 Stunden Lernaufwand) und der Humanmedizin (mit 38,9 Stunden Lernaufwand). Rechnet man, nur so zum Spaß, die Vorlesungszeit noch hinzu, so erhält man ein wöchentliches Arbeitspensum von deutlich über 50 Stunden. Das entspricht der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit in einer Rechtskanzlei. 

Student*innen stoßen auf so manche Barriere, von denen die finanzielle sicher nicht die kleinste ist.
Es bleibt nur zu hoffen, dass neue, zukunftsweisende Finanzierungsansätze einer Bildungsreform den Weg bahnen in eine (akademische) Welt, in der wirklich jedem Menschen ein Weg ins Studium offen steht. 

Beitragsbild: Pavel Danilyuk (pexels)

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