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Philosophie ist nicht gleich Philosophie: Im Gespräch über den Podcast „Philosophie für Zwischendurch“

Wieso macht der Philosophiestudent Adrian Neumann einen Podcast zur “Philosophie für Zwischendurch”? Welche Bedeutung hat sein Studium, das über die universitären Veranstaltungen hinaus geht? Und was unterscheidet westliche von fernöstlicher Philosophie? Im Interview gibt Adrian Antworten auf unsere Fragen.

„Ich bin der Meinung, dass die Philosophie Antworten liefert, die – selbst wenn sie nicht immer genauso eindeutig sind wie in der Mathematik – hilfreich sind.“

Adrian Neumann

Kupferblau: Hallo Adrian! Seit ziemlich genau einem Jahr machst du den Podcast Philosophie für Zwischendurch. Wie hat alles angefangen?
Meine erste Folge kam vor einem Jahr raus, aber mit dem Forschen nach philosophischen Fragen habe ich schon im Herbst 2020 begonnen. Damals habe ich angefangen, mir auch außerhalb der Uni-Veranstaltungen selbst Fragen zu stellen. Die erste Frage war: Was ist der Sinn des Lebens? Das ist ja die typische Philosophenfrage und es ist einfach unbefriedigend, wenn man darauf keine Antwort hat. Und dann habe ich da selbstständig, unabhängig vom Podcast, angefangen, mir Bücher auszuleihen und meine Notizen mit lauter Zetteln an meine Wand zu hängen. Mit Pfeilen auch noch (lacht), wie bei so ´nem Verrückten! Das hat einfach richtig Spaß gemacht! Irgendwann war ich mit dem Ergebnis zum Sinn des Lebens zufrieden und habe das Ganze erst einmal ruhen lassen. Und dann, erst im Oktober `21 hab ich von Freunden gesagt bekommen, dass sie finden, dass ich eine gute Erzählerstimme habe – dass ich damit glatt einen Podcast anfangen könnte! Und irgendwie mochte ich die Idee.

Und welche Veränderungen gibt es?
Am Anfang habe ich mir einfach irgendwie ein Skript zusammengeschrieben, mit eben den Sachen, die ich sagen wollte. Das ‘Was ist der Sinn des Lebens’-Thema war natürlich schon längst bearbeitet, deswegen ging das recht schnell. Ich hab´s damals noch mit dem Handymikro aufgenommen und probeweise einfach hochgestellt. Und irgendwie kam´s gut an. Und da war ich dann motiviert! Ich habe mehr Folgen gemacht, mir mehr philosophische Themen angeschaut, und dann plötzlich jede Woche hochgeladen! Irgendwann habe ich mir auch ein Mikro gekauft. Ich hatte in diesem Jahr auch viel Zeit, weil ich für ein Auslandsjahr in Spanien war. Naja, und da ist man ja schon etwas freier. 

Sehr schön! Und man kann sehen, dass du dir seit dem Beginn nicht nur neue Utensilien besorgt hast, sondern du hast seit diesem Sommer auch einen Instagram-Account. Wie kam es dazu? Warum nutzt du verschiedene Plattformen?
Ich wollte unbedingt neue Sachen ausprobieren und natürlich mehr Reichweite generieren! (lacht) Also, ich hab in diesem Jahr ja auch damit angefangen, den Podcast auf verschiedene Plattformen zu bringen der ist glaub ich so auf dreizehn Stück oder so. Aber gut, der Instagram-Kanal ist eigentlich aus der Idee entstanden, dass Leute mich besser erreichen können. Nicht nur per Mail. Und das Ding ist, dass ich über Instagram auch immer mal wieder so kleine philosophische Funfacts teilen kann, die für eine 30-minütigen Aufnahme nicht wirklich geeignet wären.

Und warum gehen die Podcast-Folgen ungefähr 30 Minuten?
Ich möchte die Folgen so kurz wie möglich gestalten, damit man sich nicht quasi ´ne komplette Vorlesung anhören muss. Dass man kurz das hat, was man braucht. Und natürlich ist Philosophie nicht so simpel, dass man das dann in 15 Minuten runterbrechen könnte. Deswegen bin ich irgendwie auf diesen 30 gelandet.

Adrian Neumann (21) studiert in Tübingen Philosophie und Soziologie im 7. Semester. Seit einem Jahr macht er den Podcast “Philosophie für Zwischendurch”, um die Philosophie in ihrer Komplexität nahbar für Interessierte zu machen. Seine meistgehörte Folge über den Sinn des Lebens wurde bereits 856 mal gehört und im Oktober 2021 veröffentlicht.

“Bei der Philosophie hab ich immer das Gefühl, dass einige Philosophen oder Philosophinnen komplizierter schreiben als sie müssten.”

Adrian Neumann

In einer relativ neuen Folge fragst du auch, ob sich die Philosophie ändern muss. Willst du kurz schildern, inwiefern die Philosophie auch manchmal in Frage gestellt wird?
Der generelle Grundgedanke dieser Folge ist eigentlich mehr oder weniger genau der Grund, warum es diesen Podcast überhaupt gibt. Bei der Philosophie habe ich immer das Gefühl, dass einige Philosophen oder Philosophinnen komplizierter schreiben als sie müssten. Klar, Philosophie ist auch kompliziert, und es sind schwierige Themen. Aber beispielsweise Kant schreibt teilweise so, dass sich sogar Expert*innen nicht ganz sicher sind, wie das ganz genau auszulegen ist. Bei einigen Philosoph*innen hat man einfach den Eindruck, dass sie auch auf eine gewisse Weise geschrieben haben, um sich abzuheben. Natürlich geht es noch immer um die Wahrheit. Aber halt eben nicht mehr nur darum.

Wie kam denn dein Podcast-Bild zustande?
Das erste Bild war tatsächlich einfach nur eine Höhle. Das kommt daher, dass ich die Philosophie ein bisschen so sehe, wie einen Weg durch einen dunklen Tunnel mit nur einer Fackel. Auf der Suche nach der Wahrheit. Das habe ich auch in meiner ersten Folge gesagt.
Das Höhlenbild war mir aber dann einfach zu wenig Persönliches. Deswegen hab ich ein paar Monate später beschlossen, ein Bild von mir zu nehmen, wie ich gerade für mich selbst ein philosophisches Buch lese. Das fand ich passender.

Das Titelbild des Podcasts: Adrian sitzt auf einer Wiese in Tübingen und liest Platons Werk Theaitetos.

“Generell mag ich die antike Philosophie sehr gern, denn auch wenn sie, wie jede Philosophie, nicht ganz einfach ist, ist sie sehr simpel geschrieben.”

Adrian Neumann

Du liest gerne die antiken Philosophen aus Griechenland. Und auch im Philosophie-Studium in Tübingen betreiben wir eher westlich geprägte Philosophie. Was hältst du davon?
Es ist verständlich. Wir leben ja im westlichen Raum der Welt und sind von den alten Griechen beeinflusst. Ich denke aber, dass man sich auch mit anderen Strömungen beschäftigen sollte, wenn man sich für Philosophie interessiert. Klar, wir denken hier über alles mehr oder weniger objektiv nach. Aber Konfuzius oder Buddha haben Sachen gesagt, die einem als westlicher Europäer einfach nicht direkt in den Sinn kommen würden. Und es ist eine interessante Perspektive, die sie auf einige Dinge haben. Das Krasseste, was ich bisher mitgenommen hab, ist, dass wir im Westen sehr auf unsere Wahrheit versteift sind. Auf jede Frage gibt es eine Antwort, jedes Problem lässt sich logisch lösen. Natürlich wollen wir vor allem glücklich im Leben sein. Und wenn wir lang genug nachdenken, wie das geht, dann kriegen wir das irgendwann schon hin. Bei zumindest Buddha war es so, dass er sagt: Man muss gar nicht die absolute Wahrheit verfolgen. Vielleicht gibt es sie gar nicht. Man macht sich auf diesem Weg nur selbst kaputt. Es lohnt sich eher, an den Sachen festzuhalten, die man hat, und im Frieden darüber nachzudenken, was man erreichen kann. 

“Ich habe immer den Eindruck, dass wir in der westlichen Philosophie unsere Wahrheit um jeden Preis wollen, und dann kommt das Glück. Bei der fernöstlichen ist das andersrum: Sie konzentriert sich auf den inneren Frieden und das Glück. Und darin liegt dann die Wahrheit.“

Adrian Neumann

Wie lang brauchst du, um eine Frage zu entwickeln und dann auch zu beantworten?
Für eine Folge brauche ich etwa 10 Stunden mit allem zusammen. Immer, wenn mir eine Frage einfällt, schreibe ich sie auf einen Notizblock. Da stehen inzwischen so viele Ideen drauf, dass ich mir einfach immer nur eine rauspicke. Was sehr lange dauert, ist, geeignete Literatur zu finden. Zu Fragen wie ‚Was ist der Sinn des Lebens?‘ kann man viele Leute lesen. Und irgendwie niemanden so richtig! (lacht) Inzwischen hab ich da ‘nen Rhythmus. Wobei es jetzt ein bisschen stagniert, muss ich zugeben, weil, naja gut, jetzt ist das Semester wieder gestartet und so ´ne Folge ist schon so wie ´ne kleine Vorlesung, die ich vorbereiten muss (lacht) und deswegen brauch ich da natürlich meine Zeit.

Das ist ja dann eine kleine philosophische Forschung. Was ist für dich philosophisches Forschen?
Philosophisches Forschen ist, sich jedes Mal darauf einzulassen, mehr oder weniger von Null anzufangen. Ich muss alles quasi so betrachten, als hätte ich es noch nie gesehen. Und doch hab ich immer ´nen ähnlichen Erkenntnisweg. Ich hab so ´nen bisschen Literatur, eine grobe Vorstellung von dem, was es sein könnte. Und irgendwann macht´s Klick und dann hat man einen Überblick über dieses Thema. 

“Natürlich sag ich den Leuten nicht direkt, was der Sinn des Lebens ist, weil ich´s auch nicht weiß. Aber ich find´s immer schön, wenn ich trotzdem einen kleinen Anstoß geben kann und die Leute von dem Klischee wegkommen, dass die Philosophie keine brauchbaren Antworten liefert.”

Adrian Neumann

Welche Tipps hast du an andere Philosophiestudent*innen?
Ich glaub, es ist immer ´ne gute Sache in der Philosophie, sich auch außerhalb des Studiums damit zu befassen. Man muss auch nicht tausende Bücher lesen oder so. Man kann sich auch einfach nur selbst Gedanken machen. Der Begriff „Seminar“ kommt vom lateinischen Begriff seminare, säen, und das soll eigentlich heißen, dass die sie den Grundstein dafür legen, dass man selbst forscht. Es ist ein schönes Gefühl, wenn man endlich mal auf ´nen Vorlesungsplan der Uni schaut und weiß, was wo ungefähr reingehört und schon ein bisschen Wissen zu den Sachen hat. Deswegen kann ich es den Leuten ans Herz legen, sich auch außerhalb der Seminare mit dem Fach zu beschäftigen.

Was sind deiner Meinung nach Barrieren der Philosophie und gibt es Barrieren in der Philosophie?
Ich hab das Gefühl, die Philosophie hebt viele Barrieren auf – zwischen uns Menschen. Wenn man sich mit ihr beschäftigt und zuhört, merkt man erst, wie ähnlich wir uns alle sind. In seiner Theorie über das Glück sagt Aristoteles, dass für uns alle dieselben Regeln gelten. Wir alle wollen ein gutes Leben, wir alle haben etwas, was wir anstreben und wir alle können etwas erreichen.

Adrian im März 2022 während seines Auslandssemesters in Granada, Spanien. Hier begann er mit seinem Podcast-Projekt.

Fotos: Adrian Neumann, Christine Weber-Neumann

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