Kultur Musik

Musik auflegen, um zu verändern

Sie haben sich erst Anfang des Jahres gegründet und schon jetzt die Tübinger DJ Szene komplett verändert: Das Queerfeministische Auflege Kollektiv im Gespräch mit der Kupferblau. Ein Interview über eine von Männern dominierte Szene, Empowerment und faire Bezahlungen.

Es ist Sonntag, Tübingen ächzt unter der Hitze. Im Café Willi lässt es sich heute allerdings gut aushalten – das liegt an schattigen Plätzen im Hinterhof, kalten Getränken und der guten Musik. Dana Jabari versorgt die Cafe-Besucher*innen mit “instrumental downtempo”, also entspannten elektronischen Beats. Unter dem Namen „Danusch“ ist sie Teil des FAK Tübingen – so lautet die Abkürzung für den Zusammenschluss von mehr als 20 DJs, die die Auflege-Szene verändern wollen.

Heute sind nicht alle von ihnen vor Ort, sondern nur fünf. Emily Röhm „emushko“, Sophia Großmann „Coruja“, Rieke Zeeden „Die Dudin“, Dana und Sarah Fodor „Saffho“ – eine der Gründerinnen, sie legt schon seit circa vier Jahren auf. Zusammen mit Marie „Mariculix“ sprach Sarah Anfang des Jahres darüber, sich als Kollektiv zu organisieren. Ende Februar 2022 war das FAK Tübingen gebildet. Seitdem wächst das FAK, das nur FLINTA*- Personen aufnimmt, stetig weiter. Die Mitglieder des Zusammenschlusses kommen aus verschiedenen Lebensrealitäten und vertreten von HipHop, QueerPop, Funk bis Techno so ziemlich alle Genres. Vereinen tut sie eins: die Lust, aufzulegen.

FLINTA* steht für Frauen, Lesben, Intersexuelle, Non-Binäre, Trans- und Agender Personen. Das Gendersternchen soll jene Personen einschließen, die sich in keinem der Buchstaben wiederfinden, aber ebenfalls aufgrund ihrer Geschlechtsidentität in einer patriarchalen heteronormativen Mehrheitsgesellschaft marginalisiert werden.

Warum ein Kollektiv gründen?

Kupferblau: Welcher Grundgedanke steckt hinter eurem Kollektiv?

Sarah: Wir wollen uns als FLINTA*- Personen in der Auflege Szene gegenseitig unterstützen. Wir versuchen, typische Hürden für Anfänger*innen abzubauen: Du hast erstmal nicht das nötige Equipment oder kommst nicht an die Möglichkeit Aufzulegen, weil super viel über Kontakte geht – das schreckt ab. Wir als Kollektiv leihen uns Equipment untereinander und bilden Netzwerke.

Sophia: Ich glaube am Anfang hat man gerade als FLINTA*-Person oft so ein mindset, dass man das nicht kann oder es viel zu krass ist, aufzulegen. Das verändert sich kolossal durch den Kontakt mit anderen Kollektivmitgliedern. Und das ist das Tolle daran. Man merkt: Das kann ich auch!

Sarah: Ich finde, das ist oft so in von Männern dominierten Bereichen. Man sieht sich nicht repräsentiert und hat das Gefühl, man müsste von Anfang an perfekt sein, weil es einem eh nicht zugetraut wird. Beim FAK geht es darum, sich gegenseitig zu empowern, zu ermutigen und zu unterstützen!

Sarah “saffho” im Café Haag am 9.7.2022 – der erste Gig als Kollektiv
© wolfpitpictures
Emily “emushko” legt Tribal House und Drum ‘n’ Bass auf
© wolfpitpictures

Kupferblau: Ihr nehmt nur FLINTA*-Personen auf und macht es damit anders als viele andere Kollektive in Tübingen. Warum ein feministisches Auflege Kollektiv und nicht einfach nur ein Auflege Kollektiv gründen?

Sarah: Die DJ Szene in Tübingen ist sehr Cis-männlich dominiert. Wenn es in der Vergangenheit dann z.B. Wohnprojekten aufgefallen ist und etwas verändert werden sollte, kam meist nur sowas wie „Wir brauchen noch eine weiblich gelesene Person, füll doch mal den Slot.“ Meist auch ne blöde Uhrzeit, nur zum Anfang.

„Nach innen die Leute empowern und sich nach außen mehr Platz erkämpfen – das ist der Grundgedanke“

– Sophia

Wie finanziert ihr euch?

Kupferblau: Ihr werdet gebucht aber organisiert auch selber Partys, wie z.B. die CSD Afterparty vor Kurzem. Was macht ihr mit euren Einnahmen? Gibt es so etwas wie eine Kollektivkasse?

Sarah: Wenn wir als DJs gebucht werden, bekommen wir Gagen, die wir als Einzelpersonen behalten. Du investierst ja persönlich Zeit und Geld für Equipment – das Auflegen soll kein Hobby sein, bei dem du draufzahlen musst. Aber wir organisieren auch als Kollektiv Partys, wie z.B. neulich im technischen Rathaus. Da durften wir die Einnahmen der Bar behalten, die dann in unsere Kollektivkasse kommen. Wir haben viele Ideen, was wir mit dem Geld machen wollen. Vielleicht bald Merch – Sticker, Shirts, sowas. Und wir wollen uns als Kollektiv weiterbilden, Workshops zum Thema Rassismus organisieren zum Beispiel.

Kupferblau: Wie gut oder schlecht wird man als DJ bezahlt?

Sarah: Sehr unterschiedlich, ich sehe das aber auch sehr unterschiedlich: Wohnprojekte setzen nicht viel um und veranstalten Partys, um sich selber wiederum zu finanzieren. Auch beim Epplehaus habe ich schon umsonst aufgelegt, einfach um das Epplehaus zu unterstützen. Bei kommerziellen Läden, die Geld verdienen, indem man ihnen ihr Haus füllt… Da ist teilweise ernüchternd, dass doch gar nicht so viel gezahlt wird.

Sophia: Es ist aber auch sehr intransparent teilweise. Oft wird auch nicht wirklich verhandelt, sondern eine Gage festgelegt nach dem Motto „Deal with it“. Da muss man üben, zu sagen, wenn es einem nicht passt.

Sarah: Dafür ist ja auch das Kollektiv cool: Man kann sich austauschen und hat andere im Rücken, denen das auch wichtig ist. So wird man in Verhandlungen selbstbewusster.

Sarah ist Mitgründerin des FAK – sie ist überwältigt von der positiven Resonanz auf das Projekt
© Jonathan Kamzelak

Kupferblau: Was für ein Feedback habt ihr bis jetzt bekommen?

Sarah: Ich hätte nicht zu träumen gewagt, wie gut es ankommt. Wie viele Leute Lust haben, mitzumachen und wie sehr es in Tübingen auf Anklang stößt. Es war ja mehr so eine abstrakte Idee Anfang des Jahres. Es ist eine richtige Ehre, mit so vielen tollen Leuten zusammen aufzulegen – alle sind krass talentiert, bringen ihre skills rein und sind unterstützend. Das ist echt ein Traum.

Emily: Und es gibt keinen Konkurrenzkampf, das ist toll!

„Wir wollen uns als Kollektiv weiterbilden – zum Thema Rassismus zum Beispiel.“

– Sarah

Und in Zukunft?

Kupferblau: Gibt es ein Ziel, das ihr erreichen wollt?

Sarah: Für mich geht es schon drum, Nachtleben als Partykultur mitzugestalten. Gute Gagen, Awareness, Testen… Das ist auch nicht immer einfach, sondern braucht Geld und viele Menschen. Es ist es nicht so, dass man viel verdient oder sich einen Puffer ansparen kann.

Sophia: Und die Musikszene zu verändern! Das klingt riesig und utopisch als Ziel, aber in einer kleinen Stadt wie Tübingen kann man das schon erreichen. Es verändert so viel, als Frau andere Frauen zu sehen – als Vorbildfunktion.

Kupferblau: Liebes FAK, danke für dieses Gespräch!

Das Queerfeministische Auflege Kollektiv freut sich immer über neue Mitglieder. Anfragen, aber auch Neuigkeiten und Veranstaltungstipps gibt es hier: FAK Tübingen (@fak_tue) • Instagram-Fotos und -Videos

Fotos: © Jonathan Kamzelak © wolfpitpictures

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