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Kein Corona, kein Job – studentische Hilfskräfte am Uniklinikum stehen ohne Einkommen da

Für viele Studierende bedeutet die Aufhebung pandemiebedingter Einschränkungen Erleichterung und das Gefühl einer Rückkehr zur Normalität. Doch wie schon die Einführung der Regelungen, bringt auch ihre Aufhebung einige organisatorische Schwierigkeiten mit sich, die im Uniklinikum auf eine Art und Weise gelöst wurden, die studentische Bedürfnisse missachtet. Ca. 200 Studierende stehen so nun von einem Tag auf den anderen ohne Einkommen da.

Plötzlich kein Job

Stell‘ dir vor, es ist Donnerstag, du checkst deine Mails und dein Arbeitgeber teilt dir mit, dass er ab Sonntag keine Beschäftigung mehr für dich hat. Genau das ist Ende April circa 200 am Uniklinikum Tübingen (UKT) beschäftigten studentischen Hilfskräften widerfahren. Sie waren in der pandemiebedingten Einlasskontrolle an den Eingängen des UKT tätig, die mit dem Wegfall vieler Regelungen nicht mehr benötigt wurden. „Wir müssen Sie um Verständnis bitten, dass wir Ihnen ab dem 01.05.2022 keine Beschäftigung mehr an den Einlasskontrollen anbieten können,“ heißt es in der E-Mail, durch die den Studierenden am 28.04. ihr Schicksal mitgeteilt wurde. Statt den Betroffenen zu kündigen, wurden ihre Verträge nur pausiert, sodass keine Kündigungsfrist nötig war. Denn, laut einer Stellungnahme des leitenden ärztlichen Direktors auf Anfrage der Kupferblau, die Hilfkräfte werden nur „vorerst“ nicht gebraucht. Da keine Aufgaben mehr vorhanden sind, mit denen die Hilfskräfte betraut werden könnten, macht die Leitung des UKT nun nicht mehr vom sogenannten Direktionsrecht Gebrauch. Dieses besagt ganz einfach, dass der Arbeitgeber die Aufgaben des Arbeitnehmers zu spezifizieren hat. Benjamin Stein, Geschäftsführer der Gewerkschaft Verdi in der Region Fils-Neckar-Alb, sieht die Sache als rechtliche Grauzone und Schlamperei – „oder Absicht“.

Seit Anfang Mai werden an den Eingängen der Klinken keine studentischen Hilfskräfte mehr benötigt.

Beschwichtigungsversuche nur bedingt hilfreich

Laut Luisa*, einer der Betroffenen, mit der wir für diesen Bericht gesprochen haben, hatten die Koordinator*innen, mit denen die Beschäftigten auch vor dem Vorfall persönlich in Kontakt standen, noch versucht, „das Ruder herumzureißen“ und den Studierenden zumindest noch einen Monat Vorlauf zu geben, doch die Entscheidung sei letztlich „ganz oben“ getroffen worden. Vor diesem Vorfall sei der Job eigentlich ein angenehmer gewesen, meint Luisa, doch davon, dass so etwas passieren könnte, sei vonseiten des Arbeitgebers im Vorhinein nie die Rede gewesen. „Nur mein Vater hat mir eingebläut, das sei kein sicherer Job,“ sagt sie.
Woher sie das jetzt weggefallene Einkommen so kurzfristig erhalten sollen, ist vielen Betroffenen unklar. Die Stellungnahme des UKT weist darauf hin, dass den Studierenden „sofort verschiedene Folgetätigkeiten am Uniklinikum angeboten“ worden seien. Das spricht auch Luisa an, abgesehen von Krankenpflegejobs seien dies jedoch hauptsächlich kleinere Stellen mit weniger Einkommen, was vielen nicht ausreicht. Für eine Betroffene sollte die Beschäftigung beispielsweise zur Finanzierung des Auslandssemesters dienen. So kurzfristig einen neuen Job mit ähnlicher Bezahlung zu finden, wird sich wohl schwierig gestalten. „Dass wir uns jetzt alle so schnell neue Jobs suchen müssen, wo man normalerweise Vorlauf hat, ist einfach unfair. Das Einzige, was meine Panik gerade etwas eindämmt, ist, dass wir das Gehalt immer einen Monat versetzt bekommen,“ berichtet Luisa.

Auch Studierende können sich wehren

Durch eine endgültige Kündigung hofft Luisa, zumindest noch Urlaubsgeld ausbezahlt zu bekommen – doch auch das ist unsicher, da sie nur vier Monate am UKT beschäftigt war. Einige andere Studierende möchten sich zudem auf anderen Wegen wehren. Es habe sich ein Presseteam gebildet und es gebe Gespräche darüber, zu klagen, berichtet Luisa. Auch Benjamin Stein arbeitet mit einigen betroffenen Verdi-Mitgliedern zusammen. Es ließe sich einiges machen, sagt er, jedoch müsse immer der Einzelfall betrachtet werden, da ihm unterschiedliche Arbeitsverträge vorliegen und auch unterschiedlich lange Beschäftigungszeiten sich auswirken. „Auf jeden Fall ist das rechtlich nicht alles ganz sauber, teilweise widersprechen sich Paragrafen auch, deshalb ist das alles nicht so einfach,“ erklärt Stein. Klar ist ihm aber: „Politisch ist das eine Sauerei“.
Obwohl dieser Vorfall wohl den ersten dieser Art in einem solchen Ausmaß darstellt, sieht Stein ihn doch als symptomatisch für die Art, wie Studierendenjobs allgemein funktionieren. Latent stecke da die Mentalität dahinter, dass es sich „nur“ um studentische Hilfskräfte handelt, die oft nicht lange angestellt sind: „Mit denen kann man es ja machen“. Anstellungen als Student*in fluktuieren oft und erstrecken sich nur über kurze Zeiträume. Dadurch haben studentische Hilfskräfte laut Stein oft keinen Draht zum Personalrat und wehren sich kaum, in so kurzer Zeit sei es oft schwierig, sich zu organisieren. Außerdem: „Im Zweifelsfall hat man als Student*in das Geldverdienen im Kopf, und nicht die Verteidigung von Arbeitnehmerrechten“. Auch für Studierende sei es laut Stein wichtig, sich gegen solche Vorfälle zu wehren, sich gewerkschaftlich zu organisieren und an die Öffentlichkeit zu gehen.

Dass Studierendenjobs prekär sind, ist nichts neues, Corona hat die Situation noch verschlimmert. Am Uniklinikum wurden die Probleme, die sich aus schnell wechselnden Pandemieregelungen ergeben, auf Kosten der studentischen Beschäftigten gelöst. Eine gute Erinnerung, dass es auch für Studierende wichtig ist, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen.

*Name von der Redaktion geändert

Titelbild: Wikimedia Commons, von Ukt öa, Lizenz CC BY-SA 4.0
Bild: UKT, Marie-Luise Koschowsky

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