Kitschiges Muttertagsbild
Kultur

“Liebe Mama” – Ein Kommentar zum Muttertag

Heute ist Muttertag und ich frage mich wie jedes Jahr, was ich dir wohl schenken kann. Ein Buch, eins schönes Parfüm oder doch einen Gutschein? Backe ich dir einen Kuchen oder koche ich dir ein Abendessen? Der Rest der Gesellschaft fragt genau dieselbe Frage, weswegen so mancher Konzern zu diesem Thema ein gefühlsduseliges Video über Mutterschaft herausbringt. Frau könnte hier von einem regelrechten „Motherwashing“ sprechen. Einmal im Jahr wird angedeutet, dass eine bestimmte Firma sich für die Rechte von Frauen einsetzt und den Müttern dieser Gesellschaft in ihrem eigenen Betrieb den Rücken stärkt. Den Rest der Zeit müssen sie schauen, wie sie klarkommen.

Die restlichen 365 Tage des Jahres – da nur, weil Muttertag ist, nicht weniger Arbeit vorhanden ist – sind Frauen als Arbeitskräfte regelrecht unsichtbar. Aus dem Englischen kommt auch der Begriff der „Care work“ oder des „reproductive labour“. Diese beiden Begriffe beinhalten nicht nur die Pflege- und Fürsorgearbeit wie beispielsweise in der Altenpflege, sondern auch die unbezahlte Arbeit von Kochen, Putzen und Kinder gebären (sowie diese dann anschließend auch aufzuziehen). In einer Studie der Oxfam Organisation wurde festgestellt, dass „Frauen und Mädchen täglich 12,5 Milliarden Stunden unbezahlte Fürsorge, Pflege- und Hausarbeit leisten, ohne dass der Wert dieser Arbeit gesellschaftlich und ökonomisch anerkannt wird.“ Noch dazu wurde kalkuliert, dass wenn diese Arbeiten vergütet wären „jährlich mehr als 10,8 Billionen US-Dollar“ einbringen würden. [1]

Die Arbeit, die niemand bezahlt

Doch auch in der Arbeitswelt erscheinen Frauen als unberücksichtigt. Frauen verdienen immer noch 18% weniger als Männer und sind in einer Reihe von Widersprüchlichkeiten gefangen. [2] Entscheiden sie sich nach einiger Zeit eine Familie zu gründen, ist dies mit einigen Hürden verbunden. Zum einen kommt dann zu dem eigentlichen Job noch ein 24-Stunden-Job mit Haushalt und Kindeserziehung dazu. Zum anderen ist dies schwer mit dem Beruf zu vereinbaren. Weder der Arbeitgeber noch die Politik ermöglichen eine faire Verteilung der Aufgaben zwischen Partner*innen bzw. möglicher Entlastung von Frauen. Wie die Hans Böckler Stiftung in einer Umfrage bemerkte, arbeiteten erwerbstätige Mütter mit betreuungsbedürftigen Kindern vor Corona etwa 10 Stunden weniger als Männer in ihren Berufen, weil sie nebenbei zusätzliche Pflegearbeiten verrichten müssen. Während des Lockdowns und der Schulschließungen aufgrund der Pandemie hat sich diese Diskrepanz auf bis zu 12 Stunden vergrößert. 66% der Befragten berufstätigen Frauen mit Kindern gaben an, dass sie trotz Partnerschaft immer noch den größeren Teil der Kinderbetreuung übernehmen. [3]

Mutterschaft kann etwas Schönes sein, doch ist für Frauen mittlerweile weder Identität noch existenzstiftend.

Es ist kein Wunder, dass sich Frauen deswegen dafür entscheiden, keine Kinder zu bekommen oder ihre Rolle als Mutter bereuen. Die israelische Soziologin Orna Donath hat in ihrer Studie „Regretting motherhood“, welche vor sechs Jahren erschien, im Zeitraum zwischen 2008 und 2011 die unterschiedlichsten israelischen Mütter aller Altersgruppen befragt, ob sie nochmals Mütter werden würden, wenn sie mit den jetzigen Erfahrungen in der Zeit zurückgehen könnten. 23 der befragten Frauen antworteten mit „Nein“ und erregten damit für weltweite Empörung. Die Frauen wurden als „Rabenmüttern“, egoistisch und herzlos bezeichnet. Diese Studienergebnisse bedeuten jedoch nicht, dass die Kinder keine Liebe erfahren. Damit ist eher die hohe Unzufriedenheit und Ablehnung der Mutterrolle gemeint. Dies wird als besonders schlimm angesehen, da Mutterschaft, wie Donath sagt, als „raison d’etre [engl. reason to be] and the culmination of women’s existence proving the proper development of a feminie idenity“ angesehen wird.[4]

Der natürlichen Berufung eine Absage erteilen

Der Zirkelschluss, dass Mutterschaft als identitätsstiftend angesehen wird und dass „Mutter“ meist ein Synonym für „Frau“ ist, ist eigentlich selbstverständlich. „Es ist ein gesellschaftlicher Konsens, dass Mutterschaft automatisch ein Glücksbringer für Frauen ist – für alle Frauen. Schließlich, so die Argumentation, ist es doch schon evolutionstechnisch gesehen die Rolle der Frau, Nachwuchs großzuziehen, es ist ihre ureigenste Aufgabe, geradezu ihr Lebenszweck. Dass sie in dieser Rolle Erfüllung findet, wird als gegeben angenommen.“ [5] Wer sich gegen die Mutterschaft entscheidet, könne also nicht glücklich werden und sei noch dazu unnatürlich, weil der „natürlichen Berufung“ eine Absage erteilt wird. Ab dem Punkt, an dem das 30. Lebensjahr erreicht ist, wird am laufenden Band gefragt wann denn endlich das Kind kommt, da mit dem Ablauf der „biologischen Uhr“ das Geschlechtsorgan der Frau wie auf magische Art und Weise versiegelt wird und nie wieder geöffnet werden kann.

„Es wundert nicht, dass Menschen, die permanent überfordert werden, letztlich unglücklich und unzufrieden sind. Denn was immer Mütter auch an Anstrengungen unternehmen, um dem gesellschaftlichen Bild der »guten Mutter« zu entsprechen, sie können es niemals ganz erreichen, nie fertig, nie perfekt sein.“

Christina Mundlos „Wenn Muttersein nicht glücklich macht“, S.17

Jede Art des Lebens, für die sich eine Frau entscheidet, ist okay und sollte nicht aufgrund von gesellschaftlichen Erwartungen hinterfragt werden. Anstatt Frauen immer neuen Druck auszusetzen, sollten endlich die Rahmenbedingungen verändert werden, damit Mutterschaft als Option gesehen werden kann und nicht als lebensverändernde Entscheidung, die letztendlich nur negative Resultate für die Frau bürgt. Der Druck, alles perfekt zu machen, alles zu jonglieren, alle Bedürfnisse anderer vor die Eigenen zu stellen, ist eine gesellschaftlich angesehene, aber bedauernswerte Selbstverständlichkeit.

Selbstverständlichkeiten sollten stattdessen ein besserer Rückhalt der Arbeitgeber, eine gerechtere Aufteilung der elterlichen Pflichten und der gerechten Vergütung von geleisteter Arbeit sein. Der Mann, der sich entscheidet, zu Hause zu bleiben, sollte nicht als „so aufopferungsvoll“ und „progressiv“ gesehen werden. Dies sind keine Großzügigkeiten oder Fortschritte, dies sollte eine Grundannahme sein.

Also liebe Mama, ich wünsche dir einen schönen Muttertag. Ich liebe dich und ich frage mich jeden einzelnen Tag, wie du es trotz allem immer hinbekommen hast und ich werde wahrscheinlich auch nie wissen, wie du dich dabei gefühlt hast. Aber ich muss dir auch ganz ehrlich sagen: Unter diesen Umständen will ich es auch nicht hinbekommen, nur damit ich einmal im Jahr in einem Werbespot von einer konsumorientierten Firma „Wertschätzung“ bekomme und den Rest des Jahres gucken kann, wo ich bleibe.

Literatur:

[1] Oxfam: Im Schatten der Profite. Wie die systematische Abwertung von Hausarbeit, Pflege und Fürsorge Ungleichheit schafft und vertieft: 2020_oxfam_ungleichheit_studie_deutsch_schatten-der-profite.pdf , S.2

[2] Gender Pay Gap 2020: Frauen verdienten 18 % weniger als Männer – Statistisches Bundesamt (destatis.de).

[3] Corona und Arbeitszeit: Lücke zwischen den Geschlechtern bleibt – Frauen erhalten seltener Aufstockung bei Kurzarbeit. (2020, 29. Dezember). Hans-Böckler-Stiftung. 

[4] Donath, Orna: Regretting Motherhood: A Sociopolitical Analysis. In: SIGNS: Journal of Women in Culture and Society. Vol. 40, Nr. 2, 2015, ISSN 0097-9740, S. 343–367, doi:10.1086/678145 (Online-Version), S.349.

[5] Mundlos, Christina: Wenn Mutter sein nicht glücklich macht-Das Phänomen Regretting Motherhood. Münchner Verlagsgruppe, 2015, S.12.

Illustration und Beitragsbild: pixabay.com

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