Unileben

Ersti zu Pandemiezeiten – Wie schwierig ist der Studienstart?

Dass unser Studileben durch die Corona-Pandemie anders oder fast nicht vorhanden ist, merkt wohl jeder. Wie aber gehen die Erstsemestler*innen mit der Onlinelehre um? Können sie überhaupt neue Kontakte knüpfen oder bleiben sie mit dem Studienstart alleine? Unsere Redakteurinnen haben mit Erstis über ihre Schwierigkeiten gesprochen.

Erfahrungen aus erster Hand

Das erste Semester: Neue Freundschaften schließen, in den Uni-Alltag finden, lange Partynächte und das Studierendenleben genießen. So ungefähr stellt man es sich vor. Bis kurz vor Beginn des Wintersemesters 20/21 gab es für die neuen Studierenden an der Uni Tübingen, so auch für Jolanda, Joshua und Melanie, Hoffnung auf Präsenzlehre und auf ein annähernd “normales” Semester. Dann kam die zweite Welle der Pandemie und unsere Studi-Neulinge mussten sich auf ein ganz anderes Semester einstellen.

Kann man sich ohne richtigen Uni-Alltag, so wie wir ihn kennen, in einer für viele Erstis neuen Stadt, richtig eingewöhnen? Auf die Frage “Hast du das Gefühl, gut in Tübingen angekommen zu sein?”, bekamen wir gemischte Antworten. Die allgemeine Meinung schien zu sein, dass es leichter gewesen wäre, hätte man die Stadt und das Nachtleben besser entdecken und erfahren können. Auch der ausbleibende Präsenzunterricht ließ es einem schwerfallen, “sich richtig angekommen zu fühlen”, erzählte Joshua. Jolanda war trotzdem positiv gestimmt: Für die aktuelle Situation würde ich sagen, gut angekommen zu sein. […] Von der Uni, den Leuten aus meinem Semester und dem höheren Semester hatten wir einen ganz schönen Start. Wir wurden in mehreren Onlinemeetings begrüßt.”

Für alle neu – Vorlesungen, Seminare und Tutorien online.

Enttäuschungen und kleine Vorteile

Vorlesungen online, alleine zuhause am Schreibtisch und auf Abstand – so hatte Jolanda ihr erstes Semester nicht geplant. Sie wollte alles “Bunt, voller Leben und neuer Erfahrungen. [Sie] hatte sich auf neues Wissen gefreut [und darauf] von Erfahrungen anderer Student*innen zu profitieren.“ Doch wer sich nicht zu viele Hoffnungen macht, kann auch nicht zu sehr enttäuscht werden. Das dachten sich wohl die anderen beiden. Joshua entgegnete der ganzen Sache von Anfang an ziemlich nüchtern: “Ich hatte mir ehrlich gesagt aufgrund der unsicheren Lage wenig Vorstellungen gemacht, wie mein Semester aussehen wird.” Melanie, die frisch aus dem Abitur kam, war sich sowieso schon bewusst, dass die Uni ganz anders als die Schule sein wird. “Deshalb war ich auch nicht ganz so überrascht” darüber, dass der Studienstart nicht wie bei anderen Erstsemestler*innen ablief. “Ich war nur etwas enttäuscht, als mitgeteilt worden ist, dass [die Präsenzveranstaltungen] nicht stattfinden. Auch war das dann etwas nervig, da ich mich schon bemüht hatte, in eine WG zu ziehen”.

Immerhin brachte die ausgesetzte Präsenzlehre auch kleine Vorteile für die drei. Während Melanie genervt war, dass die WG-Suche erst mal umsonst war, vereinfachte aber genau das vieles für Joshua, dem “das Pendeln nach Tübingen erspart [blieb].” Ähnlich ging es auch Jolanda in dieser Sache: “Ich fand es erleichternd, dass ich noch etwas Zeit hatte, mir eine Wohnung vor Ort zu suchen.” Zwei Vorteile, die bestimmt auch unsere Studierenden der höheren Semester bestätigen können, nannten alle drei: Zeitersparnis (zum Beispiel durch das ausbleibende Pendeln) sowie individuellere und freiere Zeiteinteilung. Man muss schließlich auch die positiven Dinge in schwierigeren Zeiten sehen.

WhatsApp-Gruppen und bekannte Ersti-Probleme

Uns interessierte außerdem brennend, wie man sich als Ersti im Onlinesemester mit den Kommiliton*innen vernetzt und diese kennenlernt. Joshua, Melanie und auch Jolanda vermittelten uns den Eindruck, dass WhatsApp-Gruppen dafür wohl relativ gut funktionierten, persönliche Treffen aber damit nicht zu vergleichen waren. Joshua erzählte: “Es wurden einige Whatsapp-Gruppen gegründet, durch die man sich ganz gut vernetzen kann und sich so zumindest ansatzweise gut mit seinen Kommiliton*innen austauschen kann. Dennoch ersetzt dies nicht im Ansatz den Austausch und das Kennenlernen. Gerade bei Problemen und Fragen, welche sich im ersten Semester ja doch anhäufen, fällt es schwer, sich untereinander immer kompetent zu vernetzen.” Melanies Antwort auf die Frage ergänzte den allgemeinen Eindruck ganz gut: “Wir haben eine WhatsApp-Gruppe und auch einen Discord-Server für unseren Studiengang. Dort treffen wir uns ab und zu, um zu lernen und etwas zu plaudern. Doch wirkliche ‘Freunde’ habe ich bis jetzt noch nicht gefunden.” Überraschenderweise gab es bei Jolandas Studiengang sogar doch die eine oder andere Präsenzveranstaltung – natürlich mit strengen Vorschriften. Diese haben ihr trotzdem geholfen: “Was sehr gut fürs Kennenlernen war, waren unsere Skilltrainingseinheiten vor Ort, bei denen wir in Kleingruppen aufgeteilt Puls, Blutdruck, Atmung gemessen, aber uns auch gegenseitig kennengelernt haben. Bei Gruppenarbeiten oder gemeinsamen Referaten kamen zwischendurch auch persönliche Dinge auf. Man kennt jetzt einige schon beim Namen und kann ein Gesicht zuordnen.”

Melanie: „Ich glaube, dass alles versucht wird, um uns das Studium nicht noch mehr zu erschweren.

Wie groß die Startschwierigkeiten und anfänglichen Enttäuschungen ausfielen, hing also scheinbar auch sehr vom jeweiligen Studiengang ab. Klar, die Uni konnte allgemeine Vorgaben machen, an welchen sich die Institute entlanghangeln konnten. Im Endeffekt werden diese aber auf unterschiedliche Weise mal mehr, mal weniger hilfreich umgesetzt. Hier ist konstruktives Feedback wichtig. Was hätte den Start der Studienanfänger*innen ins Onlinesemester noch mehr erleichtern können? Besonders Joshua hatte da einen konkreten Vorschlag: “Eine klarere Kommunikation zwischen Organisator*innen und Student*innen wäre wünschenswert. Und vor allem frühzeitig über Prüfungsanmeldungen, welche Fächer genau zu belegen sind und so weiter informiert zu werden. Gerade als Erstsemestler hatte ich dahingehend teilweise das Gefühl, etwas verloren zu sein.” Dieses Problem dürfte den höheren Semestler*innen aus ihrer Erstizeit bekannt vorkommen. Also keine Sorge, das lag nicht unbedingt nur am Onlinesemester. Melanie hatte auch noch mit einer anderen Schwierigkeit zu kämpfen: “Ich finde es schwierig, dass unsere Vorlesungen nur eine Stunde gehen, anstatt eineinhalb. Dadurch müssen wir uns einiges selbst beibringen.” Doch sie weiß auch, dass es der schwierigen Situation geschuldet ist und das Konzept, trotz allem, mit Mühe ausgearbeitet wurde: “Ich glaube, dass alles versucht wird, um uns das Studium nicht noch mehr zu erschweren.”

Die Vorfreude bleibt und wird immer größer

In einem Punkt sind sich aber alle drei einig. Sobald Präsenzkurse wieder möglich sind, freuen sie sich riesig darauf, ihre Kommiliton*innen und Dozent*innen richtig kennenzulernen, auf neu Gelerntes richtig einzugehen und diskutieren zu können, sowie Tübingen und die Uni endlich kennenzulernen. Und wie Jolanda sagte: “Und alles andere, was mit einer Präsenzlehre einhergeht: In die Mensa gehen, sich mit anderen Student*innen nach der Uni oder in der Bib zu verabreden.”

Eines ist sicher: In dieser Zeit das Studium zu beginnen ist nicht leicht.  Ein ziemlich anderes Semester war und ist es wohl für uns alle. Doch es werden auch wieder die “normalen”, bunten, lauten und lustigen, Tübingen-typischen Semester kommen. Darauf können wir uns alle freuen.

Vielen Dank an Jolanda, Joshua und Melanie für die Interviews!

Titelbild: Marko Knab
Beitragsbild: Friederike Streib

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