Unileben

An dasjenige Virus, das es betrifft

Liebes Corona, endlich lernen die Deutschen mal ein bisschen Grammatik! Du bist das bekannteste Virus unserer Zeit (ja, es heißt DAS Virus). Was dich betrifft, Corona – wir hoffen sehr, dass du für die nächsten Jahre das bekannteste Virus der Geschichte bleiben wirst. Dieses Jahr hast du sicherlich thematisch bestimmt, reife Leistung. Aber kannst du uns einen Gefallen tun und ein bisschen langsam machen? Eigentlich geht uns das alles zu schnell und um ehrlich zu sein, funktioniert diese Beziehung nicht mehr.

Liebes Corona, …

Warum fangen wir eigentlich Briefe immer mit ‘Liebe/r/s’ an? Corona, du bist uns nicht lieb. Und du bist auch nicht ‘Sehr geehrt’. Wahrscheinlich wäre die beste Anrede: ‘An dasjenige, das es betrifft’. Also:

An dasjenige Virus, das es betrifft!

Corona – wir kennen dich nun ca. ein Jahr. Du warst nur ein ferner Verwandter, eine ferne Gefahr, welche wir nicht wahrhaben wollten, die wir nicht kannten oder kennen wollten. Vom Hörensagen kannten wir dich und deine Symptome. Du warst am bekanntesten in Ländern, die nicht Europa waren oder gar Deutschland. Aus dem Auge, aus dem Sinn. Doch heute bist du unser alltäglicher Begleiter. In den Supermarkt, zum Arzt, selbst beim nächsten One-Night-Stand könntest du uns begleiten. Du bist allgegenwärtig, in unseren Köpfen und in unserem Leben. Ich denke, viele von uns wissen immer noch nicht, wie wir mit dir umgehen sollen.

Corona und die Deutschen

Unsere Beziehung ist ja jetzt auch noch nicht mal ein Jahr alt. Warst du im März erst mal nach Deutschland gekommen, hast du uns schnell alle in Unsicherheit gestürzt. Ich erinnere mich an Diskussionen mit Kommiliton*innen: “Corona? Das gibt es hier sicher nicht. Aber es ist doch ein bisschen gruselig. Aber die zwei Fälle letzte Woche, die waren auch nur Zufall!”

Und dann – mir nichts, dir nichts – musste niemand mehr zur Arbeit, in die Schule, oder zur Uni. Corona – du hast uns gezeigt, dass aus dem Haus zu gehen und unsere Mitmenschen ohne Sorge zu treffen, ein Privileg ist. Ebenso, dass wir die Schule, die Arbeit oder die Uni doch lieber haben als die dicke Decke, unter der wir uns im gesamten Frühjahr online Vorlesungen, online Präsentationen und online Unterricht angesehen haben, während wir unsere Freunde vermissten.

Der Sommer

Ich denke, daher hast du uns im Sommer dann auch eine Pause gegönnt. Damit jeder in Spanien, beim Wandern oder gar auf den Kanaren dann doch noch ein bisschen Virusluft atmen konnte. Und nun haben die meisten von uns erkannt, dass du uns doch ein bisschen zu ‘clingy’ bist.

Der Sommer war einfach zu schön, um wahr zu sein. Du klammerst wirklich ein bisschen zu viel. Wir wollten doch nur ein bisschen Spaß und dachten uns: “Was Corona nicht weiß, machte den Sommer so heiß!” Aber leider war das nicht dein Plan. Du  springst immer noch von einem Infizierten zum nächsten. Regelrecht ansteckend ist sie, deine Tröpfcheninfektion. Was sollen wir dazu sagen. Konntest du uns nicht eine Pause gönnen?

Ach, der November…

Anscheinend dachten das die Ministerpräsident*innen noch im November, als der Lockdown light ausreichen sollte, um unsere Beziehung zu beenden. Um Ross aus Friends zu zitieren:

We were on a break!

Corona im Herbst? Ach wohin. Um dich loszuwerden, hatten wir schon zu viel aufgegeben. Masken zu tragen bedeutete für einige Querdenker*innen den Verlust der Demokratie. In einer Beziehung ist Freiheit ja immer wichtig! ‘Exklusiv’ geblieben bist du ja nicht. Du hattest wohl einfach zu viel Freude an den Weihnachtseinkäufen und der herbstlichen Erkältungszeit und dachtest, es wird Zeit, dich wieder überall auszubreiten. Ne Party hier, ne Party da. Ach, da ist es ja schon wieder: Corona! (Ja, der Reim war Absicht).

Und was jetzt?

Ich möchte nicht sagen, dass wir es nicht ernst mit dir meinen, Corona. Wir haben dich immer so ernst genommen, wie es uns in der Situation richtig vorkam. Vielleicht hätte zwischen uns in der Vergangenheit so einiges anders laufen sollen. Wir hätten dich noch ernster nehmen sollen, etwas genauer hin- und zuhören sollen. Nun tragen wir die Konsequenzen des Novembers mit in den Dezember.

Aber, wenn du es verlangst, trage ich gerne die Maske. Ich verbringe auch ein ruhiges Weihnachten und Silvester in meiner Wohnung. Einfach, damit du die Krankenhäuser nicht überläufst und ich im nächsten Jahr wieder mit meinen Großeltern um den Weihnachtsbaum stehen kann. Damit ich nächsten Winter eine heiße Schokolade (ok, lauwarme Schokolade) in der UB trinken kann. Vielleicht lebst du dann ja in einer anderen Beziehung. Nicht mehr mit den Menschen, sondern in Einigkeit mit dem Impfstoff. Er nimmt sich deiner sicher an. Und bis dahin tu ich was ich kann und hoffe, dass unsere Beziehung bald endet und du uns endlich loslässt.

Foto: Ellen Lehmann

 

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