Politik

Und dann auch noch Corona: Internationale Pandemiegeschichten Aus Tübingen

Bislang hat die Situation von internationalen Studierenden während der Corona-Krise nur wenig Beachtung erlangt. Wie es wohl ist, seine Heimat für einen pandemiegeprägten Uni-Alltag zu verlassen? Unsere Redakteurin hat sich das gefragt und mit einigen “Internationals” in Tübingen gesprochen.

Hilfe bei der Studienorganisation: Beratungskurs von Studierenden

Chris Mathew kommt aus den Vereinten Arabischen Emiraten und studiert seit diesem Semester Psychologie an der Universität Tübingen. Der 20-Jährige plante sein Auslandssemester bereits 2017, nachdem er die Schule beendet hatte. Die Reise in ein fremdes Land und die eigene Verantwortung für ein Semester an einer neuen Universität waren gerade in Zeiten der Pandemie eine große Herausforderung: „Ich hatte Angstgefühle. Aber ich wollte unbedingt nach Tübingen kommen. Das war ein Ziel für mich, auf das ich zusteuern konnte. Ich wollte nicht aufgeben“, erinnert sich Chris. Nachdem die lange und komplizierte Anreise geschafft war, ergaben sich doch bereits neue Herausforderungen vor Ort: „Ich war nicht vertraut mit dem Konzept, sich seinen Stundenplan selbst zu erstellen, da das bei uns meist fest vorgeschrieben war.“ Hilfe dabei erhielt Chris bei einem von Studierenden organisierten Beratungskurs an der Universität Tübingen. „Ich bin zuversichtlich, dass dadurch alles geklappt hat.“

Mittlerweile ist Chris richtig angekommen: „Ich fühle mich in Tübingen zuhause und bin allen dankbar, die mir geholfen haben, an diesen Punkt zu kommen.“ Sein Auslandssemester hat er sich dennoch anders vorgestellt: „Ich war super aufgeregt, im großen Vorlesungssaal einer deutschen Universität zu sitzen oder auf Partys zu gehen. Das ist durch Corona leider nicht möglich“, erklärt der Psychologie-Student. „Andererseits kann ich so länger schlafen und muss nur meinen Laptop öffnen, um an einem Kurs teilzunehmen“, lacht er. Ein paar Tipps für zukünftige internationale Studierende hat Chris auch auf Lager: „Bringt nicht so viel Gepäck mit, euer Rücken wird es euch danken. Bringt Desinfektionsmittel und Masken mit und seid offen für Dinge, die auf euch zukommen werden.“

Chris fühlt sich in Tübingen mittlerweile zuhause. © Chris Mathew

Fremdes Land, fremde Sprache – und dann auch noch Corona

Yiran kommt aus China und studiert Anthropology in Tübingen. Sie kam bereits 2019 nach Tübingen, sodass sie bei der Einreise keine coronabedingten Schwierigkeiten hatte. Jedoch fällt ihr das Leben in Tübingen durch die Pandemie schwer: „Es ist momentan schwer, einen Nebenjob zu finden, um die Studiengebühren bezahlen zu können. Außerdem ist es schwer, eine Unterkunft zu finden. Es ist sehr teuer“, erklärt sie. Und auch das Studieren selbst berge einige Herausforderungen: „Es fällt mir schwer, mich bei Online-Vorlesungen zu konzentrieren, auch wenn sie nur eine Stunde dauern. Da man seine Kommiliton*innen nicht trifft und keinen direkten Kontakt zu ihnen hat, fühlt es sich so an, als würde man alleine studieren. Es fühlt sich an wie ein Online-Studium.“

Bei den Gesprächen mit den internationalen Studierenden entsteht der Eindruck, dass der fehlende Kontakt zu anderen Studierenden für sie besonders schlimm ist. Viele sind auf solche Kontakte angewiesen, da sie Sprachbarrieren haben und sich an der neuen Universität erst zurechtfinden müssen. Yiran bereut es, dass sie während der Corona-Pandemie in Tübingen ist. „Ich fühle mich niedergeschlagen, gestresst und müde“, gibt die 26-Jährige zu. Einen positiven Aspekt sieht sie allerdings in der Tübinger Natur: „Es tut gut, spazieren zu gehen. Man kann in den Wald gehen, um den Kopf frei zu bekommen.”

Yiran bereut es, während der Pandemie in Tübingen zu sein. © Yiran Wang

Nicht nur Beratung, sondern auch Spaß

Die Auswirkungen der Pandemie auf internationale Studierende hat auch Freya Rais gespürt. Sie ist bereits seit zwei Jahren Leiterin des Beratungskurses für internationale Studierende an der Universität Tübingen. „Wir möchten die ‚Internationals‘ in Tübingen begrüßen und ihnen einen guten Start in das Studium bieten“, erzählt sie.

Neben den Einführungen in die universitären Portale wie Alma und Ilias thematisiert der Kurs auch das Leben in Tübingen. Dabei werden grundlegende Aspekte wie Mülltrennung, Ummeldungen im Rathaus oder das Zurechtfinden in den Stadtbussen angesprochen. Ganz wichtig sei allerdings auch der Kontakt zu anderen Studierenden. Davon lebe der Beratungskurs. „Kneipentouren oder auch Karaoke im Schaf waren dieses Jahr leider nicht möglich, was sehr schade war“, sagt Freya. In diesem Jahr konnten breite Teile des Beratungskurses lediglich online angeboten werden. „Vormittags haben wir uns mit den Internationals gemeinsam über Zoom getroffen und theoretische Inhalte besprochen“, erklärt Freya. „Nachmittags haben wir in kleinen Gruppen von drei bis fünf Personen Stadt- und Campusführungen gegeben. Natürlich mit Abstand und Masken. Es war anders als sonst. Die größte Schwierigkeit sei es aber gewesen, die Studierenden untereinander zu verbinden. Das sei im Rahmen von Online-Meetings oft noch schwieriger als im realen Leben.

Trotz dieser außergewöhnlichen Situation möchte Freya Studierende auch jetzt ermutigen, nach Tübingen zu kommen: „Ich bin mir sicher, dass es wieder besser wird. Bis dahin kann man hier toll spazieren gehen und auch in kleinen Gruppen Ausflüge machen. Zum Beispiel zur Burg Hohenzollern.“

Erwartungen übertroffen

Vojtech freut sich trotz Corona auf seine Zeit in Tübingen – auch durch die Hilfe der Studierenden im Beratungskurs. © Vojtech Hanak

Für diese Unterstützung durch den Beratungskurs ist auch Vojtech Hanak dankbar. Er kommt aus Tschechien und studiert für zwei Semester Mathe und Geschichte auf Lehramt im Masterstudiengang. „Ich habe weniger erwartet, als ich jetzt habe, was sicher an den tollen Menschen liegt, die uns internationalen Studenten geholfen haben“, freut sich der 23-Jährige. Auch die Anreise nach Tübingen verlief unkompliziert. „Es gab keine Probleme und auch keine Grenzkontrollen“, erinnert er sich. Die größte Herausforderung durch Corona sieht Vojtech in der Organisation des Stundenplanes: „Viele Veranstaltungen wurden abgesagt, wodurch die Auswahl begrenzt war.“ Auch die Tatsache, dass die universitäre Organisation vor allem während der Pandemie online stattfindet, sei oft schwierig. „Die meisten Probleme haben sich aufgrund des Lockdowns ergeben, wie die Kommunikation mit verschiedenen Ämtern“, erzählt er. Dennoch ist er froh, in Tübingen zu sein und fühlt sich wohl. „Die Menschen sind sehr freundlich und hilfsbereit. Ich fühle mich sehr glücklich und genieße die schönen Tage in Tübingen.“

Titelfoto: Paul Mehnert

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