Politik

Aus dem Land der Gegensätze – Im Gespräch über die US-Wahlen

Eine Wahl, zwei Präsidentschaftskandidaten und ein Wahltag, aus dem mehrere Tage der Auszählung folgten. Die US-Wahl zog die Aufmerksamkeit der Welt auf sich. Auch an der Uni Tübingen diskutierten Wissenschaftler*innen beherzt darüber.

“Nach den Wahlen in den USA: Von konservativen Koalitionen zur Politik der verbrannten Erde – Zu den Ursachen der Erosion demokratischer politischer Kultur in den USA” – unter diesem Motto veranstaltete das Institut für Politikwissenschaft am Montag, den 16. November 2020, einen digitalen Diskussionsabend. Dr. Patrick Horst, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, referierte anlässlich der US-Wahlen über die USA als Beispiel einer scheiternden Demokratie. Prof. Dr. Udo Zolleis von der Universität Tübingen nahm  ebenfalls an der Diskussion teil. Die Rolle der Moderierenden übernahm Prof. Dr. Gabriele Abels.

Welche historischen Prozesse beeinflussen das Wahlverhalten der Amerikaner noch heute? Welche statistischen Beobachtungen konnten 2020 in verschiedenen Wählergruppen gemacht werden? Wie beeinflusst das Wahljahr 2016 und die Wahlperiode Donald Trumps das politische Klima? Dr. Horst diskutierte einige Erklärungsansätze.

Das polarisierte Amerika

Dr. Horst skizzierte zu Beginn den Begriff des Trumpismus: “Nostal-gischer Nationalismus, radikale Marktfreiheit, eine protektionistische Zollpolitik, expliziter Rassismus sowie der Rückzug der USA aus einem regelkonformen Liberalismus”. Des Weiteren spiele der Topos der “schweigenden Mehrheit gegen die machthabende Elite” eine zentrale Rolle in Trumps Wahlstrategien. Sozioökonomische sowie soziokulturelle Erklärungsansätze für das Wahlverhalten der US-Bürger würden außerdem noch durch das Zweiparteiensystem ergänzt. Dieses hätte über Jahrzehnte hinweg zu einer zunehmenden Polarisierung der US-amerikanischen Politik geführt.

Auch Minderheiten wählen Trump

Obwohl die Reflexion der Wahlen von 2016 den überwiegenden Anteil an der sechzigminütigen Veranstaltung einnahm, bezog sich Dr. Horst auch auf die statistischen Erhebungen zu den aktuellen Wahl-ergebnissen vom 03. November. Die Republikaner, respektive Trump, konnten unter latein- und afroamerikanischen Wähler*innen einen Zugewinn an Stimmen verzeichnen. Außerdem sei Forscher*innen besonders bei den Wählerinnen eine steigende Zustimmung gegenüber einer starken Führungsperson in Kombination mit einer Militärregierung aufgefallen.

Die Zustimmung gegenüber der Demokratie in den USA steige aber insgesamt in Umfragen im Vergleich zu 2016 geringfügig an. Dr. Horst begründete dies mit Wähler*innen, die durch den Wahlsieg Trumps 2016 erstmals den Eindruck erlangte hätten, dass ihrer Stimme politisch Gehör verschafft würde.

Im Zweifel gegen die anderen

Im Rahmen einer Fragerunde verwies Prof. Dr. Udo Zolleis auf den Begriff des “negative partisanship”. Dieser Anglizismus beschreibt in der Forschung ein bestimmtes Wahlverhaltensmuster, demzufolge sich Wähler*innen nicht explizit für eine/n Kandidat*in entscheiden, sondern gegen eine/n bestimmten Amtsanwärter*in. So stimmen viele Bürger*innen in den USA also nicht für die Demokraten oder Republikaner, sondern nutzen vielmehr ihr Wahlrecht, um aus Antipathie gegen eine/n Kandidat*in oder die andere Partei zu stimmen.

Es ist noch nicht vorbei

Zum Abschluss des Abends warf Dr. Horst einen Blick in die Zukunft. Trump könne der amerikanischen Politik als Oppositionsführer der Republikaner noch lange erhalten bleiben. Womöglich könne er auch ein Medienunternehmen gründen, um seinen politischen Ansichten außerhalb der traditionellen Nachrichtenkonzerne einen Raum zu ermöglichen.

In Hinblick auf die von Biden zu erwartende Politik verwies der Referent auf den pragmatisch-moderaten Führungsstil des demokratischen Amtsanwärters. Die “Heilung der amerikanischen Seele” stehe für Biden im Vordergrund seiner Politik. Er werde sich bemühen, Kompromisse mit den Republikanern zu schließen und transatlantische Beziehungen zu fördern. Spannend bliebe es aber trotzdem, betonte Dr. Horst. Beispielsweise verliere Trump nach der Amtsübergabe an Biden seine präsidiale Immunität und müsse sich infolgedessen vielleicht Strafverfahren in Bezug auf den Vorwurf der Steuerhinterziehung stellen müssen.

Titelbild: Unsplash

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