Politik

Bolsonaro und das Problem mit der Demokratie

Nach eineinhalb Jahren Regierung unter Jair Bolsonaro zieht Prof. Dr. Ursula Prutsch von der LMU München eine Zwischenbilanz. Im vhs-Livestream referierte sie am Mittwochabend vor großem Publikum über den Zustand der Demokratie in Brasilien, indem sie den Aufstieg, dessen Hintergründe und die Demokratieprobleme der Präsidentschaft von Jair Bolsonaro thematisierte.

Am Mittwochabend fanden sich weit über 400 interessierte Zuhörer*innen vor ihren Laptops und PCs ein, um im vhs-Livestream den Vortrag von Prof. Dr. Prutsch über die Zerstörung der Demokratie unter Jair Bolsonaro zu verfolgen. Die Referentin unterrichtet am Amerika Institut der LMU München US-amerikanische und lateinamerikanische Geschichte.

Der Aufstieg

Prof. Dr. Prutsch begann ihren Vortrag damit, über den Aufstieg des ehemaligen Fallschirmjäger-Hauptmanns zum Präsidenten Brasiliens zu berichten. Nachdem Brasilien seine Phase der Militärdiktaturen mit der Verfassung von 1988 überwunden zu haben schien, brachten die Regierungen unter Lula da Silva und Rousseff Neuerungen im Bereich der Sozialpolitik und der Aufarbeitung der Sklavengeschichte des Landes. 2018 wurde dann Jair Bolsonaro als bekanntlich rechtskonservativer und wirtschaftsliberaler Politiker zum Präsidenten. Die Referentin warf die Frage nach dem Warum dieser Entwicklung auf und beantwortete diese zugleich:

Im Wahlkampf habe Jair Bolsonaro viel mit Fake News, Social Media und einfacher Sprache gearbeitet.

Er wäre vor allem von christlich-konservativen Gruppen, Militärs und der weißen Mittelschicht gewählt worden, die seiner Verdammung der vorherigen linken Sozialpolitik Glauben schenkten. Er sehe sich als „Außenseiter“ und “Antipolitiker“. Durch seine rassistische Sprache würde er auch die „Bevölkerung bewaffnen“.

Eine Zwischenbilanz

Minderheiten des Landes würden zunehmend bedroht, Angriffe auf freie Journalisten hätten zugenommen und die Waffengesetze würden weiter liberalisiert. So zog Prof. Dr. Prutsch eine eher ernüchternde Zwischenbilanz der eineinhalbjährigen Präsidentschaft Bolsonaros. Sie kritisierte auch sehr deutlich den Umgang mit der indigenen Bevölkerung unter seiner Präsidentschaft. Deren Schutzgebiete wären für Anliegen wie Abholzung geöffnet worden und auch ihr Recht auf eine distinkte Lebensweise sei gefährdet. Nach Bolsonaro sollten sie „zivilisiert“ werden.

Jair Bolsonaro könne sich nach Prof. Dr. Prutschs Ansicht jedoch vermutlich momentan nochmal gegen mögliche politische Konkurrenten durchsetzen, da er einen starken Wirtschaftsliberalismus vertrete. Vor allem Unternehmer und die weiße Mittelschicht würden daher weiter daran glauben, dass er mehr Wohlstand bringen könne. Die Arbeitslosigkeit sei mithin tatsächlich zurückgegangen.

Allerdings haben sich nach eigenen Erfahrungen der Referentin in Brasilien eine tiefe Spaltung und eine grundlegende Identitätskrise in der Gesellschaft breit gemacht.

Durch die Verharmlosung von Rassismus und der Sklaverei-Vergangenheit des Landes in den öffentlichen Diskursen sowie die populistische Sprache des Präsidenten, würde die Demokratie des Landes zunehmend gefährdet. Prof. Dr. Prutsch betonte, dass sie Brasilien wohl noch als Demokratie bezeichnen würde. Doch Entwicklungen, wie die Besetzung von Ministerien mit vielen Militärs und zunehmende Menschenrechtsverletzungen, stimmten sie nachdenklich.

Bolsonaro und die Corona Krise

All diese Probleme würden durch die Corona Krise nur noch offensichtlicher. Das erste Corona Todesopfer des Landes war bezeichnenderweise eine Hausangestellte der „unteren Schicht“. Die Mängel im Gesundheitssystem und in der Sozialpolitik zeigten sich nach Prof. Dr. Prutsch deutlich. Die Reaktion des Präsidenten auf die Krise decke indes seine Unfähigkeit und Beratungsresistenz auf. Es werde viel über Social Media kommuniziert, wie es auch der amerikanische Präsident tue, Fake News befänden sich andauernd im Umlauf und Hassreden nähmen zu.

Covid-19 entlarve Bolsonaros „besorgniserregende Politik“.

Die Referentin schloss ihren Vortrag mit dem Hinweis auf ihre leise Hoffnung, dass es keine zweite Amtszeit des Präsidenten geben werde. Zudem hoffe sie, dass sich die Geschichte der Nachbarländer, die geprägt ist von Volksaufständen und gewaltsamen Niederschlägen durch die Regierung, in Brasilien nicht wiederholen werde.

Foto: Pixabay

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert