Kultur

Wie uns Atmosphäre fesseln kann – Ein kurzer Ausflug in die Filmdramaturgie

Haben wir nicht alle diesen einen Film mit unseren Lieblingscharakteren, die uns sehr ans Herz gewachsen sind? Oder die spannendsten Serien, die wir pausenlos schauen, nur um am nächsten Tag mit strahlenden Augen unseren Freund*innen darüber berichten zu können? Filme faszinieren uns, packende Geschichten saugen uns in ihre Welt hinein. Aber hat sich jemand schon mal die Frage gestellt, wie eine mitreißende Atmosphäre entsteht, die uns später auch nicht loslässt?

Manchmal lohnt es sich, hinter die Fassade zu schauen.

Musik, Kameratechnik, Beleuchtung – das sind nur einige Beispiele, welche wesentlich bestimmen, was für ein Gefühl eine Serie beim Publikum überhaupt hinterlässt. Solche sogenannten filmischen Mittel, die zweifellos die dramaturgische Inszenierung unterstützen, werden nicht zuletzt dafür eingesetzt, um unsere Emotionen bewusst zu steuern.

Gerade bei einer Horrorserie kann es sehr spannend sein, der Frage nachzugehen, warum sie den meisten Angst macht und uns dennoch so fesselt. Es lohnt sich daher, die 2018 erschienene, US-amerikanische Netflix-Serie „Spuk in Hill House” etwas näher unter die Lupe zu nehmen.

In The Making: eine Horrorszene hinter der Kamera

Gruselig, beängstigend, beklemmend – ein paar Worte, um die Grundstimmung zu beschreiben. Moment Mal, wenn man sich mit verschlossenen Augen unter die Bettdecke kauert, nimmt man die Geschehnisse doch nur zum Teil wahr, oder nicht? Gerade diese Serie ist alles andere als eine typische Horrorgeschichte – es schadet aber nicht, auf einen Jumpscare, der mich bis heute verfolgt, vorbereitet zu sein. Insbesondere durch den dramatischen Einsatz von Filmmusik reißt Eine*n die Serie emotional mit.

Die Wirkung von Musik ist nämlich enorm groß. Wer hat denn noch nie die Lautstärke während eines Horrorfilms leiser gestellt, nur um sicherzustellen, dass im Wohnzimmer in der realen Welt alles in Ordnung ist und niemand in der Dunkelheit lauert? Hier ist es auch nicht anders, denn genau die spannungserzeugenden Geräusche geben der Serie eine äußerst bedrückende Atmosphäre. Dank der musikalischen Untermalung – sei es ein bedrohlich wirkendes Stück oder die Stille einer lauernden Gefahr – die Außenwelt hinter uns lassend, betreten wir einen Ort des Grauens.

Neben Musik wecken auch farbliche Inszenierungen Emotionen

In ähnlicher Weise können auch Farben eine fesselnde Atmosphäre erzeugen und uns Zuschauer*innen in ihren Bann ziehen, denn sie lösen in uns unterschiedliche Assoziationen aus. Im Gegensatz zu warmen Farben, wirken kältere Grün- und Blautöne besonders in gruseligen Filmszenen überwiegend bedrückend. Sie vermitteln Informationen auf einer weiteren Ebene: gewisse Gefühle lassen sich stärker hervorrufen und wirken durch das Farbregiment intensiver. Dadurch erscheint die Serie „Spuk in Hill House” mit ihren sowieso schon gruseligen Szenen nun mit Hilfe des Einsatzes von blassen Farbtönen – ganz zu schweigen vom den häufig in der Dunkelheit spielenden Sequenzen – deutlich aussagekräftiger.

Weniger ist manchmal jedoch mehr: Gelungene Umsetzung dank authentischer Szenen

Sofern es um die visuelle Ästhetik in Produktionen geht – allerdings würde man sich von Horrorelementen am liebsten nur distanzieren – lohnt es sich, einen Blick auf die meistgesehene Netflix-Miniserie „Das Damengambit“ zu werfen. Sie erzählt die mitreißende Geschichte eines Waisenkinds, namens Beth, das es in den 1960er Jahren unter erschwerten Bedingungen der männerdominierten Welt schafft, zum größten Schachgenie zu werden.

Aber woher kommt die derartige Faszination für eine Serie über Schach? Neben den herausragenden schauspielerischen Leistungen, detailliert ausgearbeiteten Nebenfiguren und spannendem dramaturgischen Aufbau – und die Liste geht unendlich weiter – gelingt es der Serie auch die Szenen visuell authentisch rüberzubringen. Die Spiele sind mehr als spannungsvoll und zugleich der Ästhetik entsprechend dargestellt. Dank der spektakulären Inszenierung und des zeitgetreuen Kostümdesigns werden wir mit auf eine Zeitreise genommen. Es lässt sich unschwer vermeiden, auch emotional in die Welt des Schachs einzutauchen.

Die anmutige Ästhetik des Schachspielens.

Kleine Details für den ästhetischen Mehrwert

In visuellen Produktionen werden für die aufmerksamen Zuschauer*innen ein paar kleine Botschaften versteckt. Achtet im „Damengambit“ zum Beispiel auf das an den Kleidern der Hauptfigur immer wieder auftauchende Karomuster des Schachbretts oder die häufige schwarz-weiße Farbgebung! Oft werden weiteren Farben Bedeutungen zugeordnet, so dass sie auch mit bestimmten Motiven verbunden werden können und zugleich Gefühle symbolisch darstellen. Das Interessante dabei ist, dass sie meist kultur– und kontextabhängig sind: Setzt man also die sehr intensive, auffallende Farbe Rot mit Kampfbereitschaft und Aggressivität in Verbindung? Funktioniert sie dabei eher politisch, unterstreicht die Aussagekraft einer Szene? Oder steht sie doch für Leidenschaft und hebt emotionale Erlebnisse hervor?

Spannend ist in der Serie, wie oft die Farbe Giftgrün zu finden ist. Beth hat mitunter mit Suchtproblemen zu kämpfen, daher sind die Pillen, die sie zu sich nimmt, grün. Das Kleid, das sie trägt, als sie eine der bedeutendsten Schachpartien verliert, besitzt dementsprechend dieselbe Farbe. Auf solche kleinen Details zu achten, lohnt sich, denn sie bereichern das Verständnis der jeweiligen, sowieso schon meisterhaften Werke der Film- und Serienwelt.

Sei es die musikalische Untermalung, die Ästhetik in Bezug auf Kulissen und Kostüme oder einfach eine passende Beleuchtung der Szene, sie alle haben etwas gemeinsam. Sie unterstützen die inhaltliche Aussage und spielen eine unbestreitbar große Rolle beim Hervorrufen von Emotionen. Unser Puls würde ohne die aufgebaute Gruselstimmung bei einer Horrorgeschichte nicht so schnell steigen. Wir würden während eines traurigen (und gleichermaßen kitschigen) Liebesfilms ohne melancholische Hintergrundmusik weniger Tränen vergießen. Bei einem Thriller ohne Suspense würde auch niemand vor Angst zittern oder nervös an seinen Fingernägeln knabbern. Jetzt mal ehrlich, das wäre einfach nicht das Gleiche!

Und wenn es einer filmischen Produktion tatsächlich gelingt, durch ihre stimmige Atmosphäre die Zuschauer*innen komplett zu faszinieren und in ihren Bann zu ziehen, dann lässt sich nur eins sagen: das Abenteuer beginnt, es gibt kein Zurück mehr.

Illustration und Beitragsbild: unsplash.com

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