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Einen Schritt nach dem anderen machen

Aus Fremden können Freunde werden, so lautet das Motto von Start with a Friend e.V.. Der Verein setzt sich für Tandempartnerschaften zwischen Einheimischen und Eingewanderten ein und will so das Ankommen in der neuen Kultur durch persönliche Kontakte erleichtern. Auch in Tübingen ist der Verein aktiv. Kupferblau hat sich mit einem Tandempaar und einer Standortkoordinatorin getroffen und über ihre Erfahrungen gesprochen.

Integration durch Freundschaft

Die weltweiten politischen Situationen haben in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass sich viele Menschen auf den Weg nach Deutschland gemacht haben – gewollt oder ungewollt. Die ersten Schritte in einem neuen Land mit einer fremden Kultur sind meist schwierig: Sprachbarrieren, Vorurteile und bürokratischer Aufwand überfordern schnell und erschweren das Ankommen. Aufgrund dieser Tatsache wurde 2014 der gemeinnützige Verein Start with a Friend e.V. [SWAF] in Berlin gegründet. Mit der Vision, die Integration von Menschen aus anderen Ländern durch persönliche Beziehungen zu Einheimischen zu erleichtern, gründete ein kleines Team vor sechs Jahren den Verein. Die Idee dahinter ist, dass Menschen aus unterschiedlichen Ländern und mit unterschiedlichen Erfahrungen durch Tandempartnerschaften zusammenkommen. So sollen bei den Locals Vorurteile abgebaut werden und das soziale Netz der Eingewanderten gestärkt werden. Der persönliche Kontakt soll gegenseitige Hilfe und Halt geben, aber vor allem auch einen Freund. Der Verein ist in 26 Städten bundesweit aktiv und hat ca. 6000 Tandempaare zusammengebracht. Mittlerweile hat sich das Engagement des Vereins auch auf Österreich ausgeweitet. Finanziert wird der Verein durch Spenden und seit 2016 durch das Programm „Menschen stärken Menschen“ des Bundesfamilienministeriums.

Mit Community-Events möchte SWAF erreichen, dass sich die Tandems und das Team auch untereinander kennenlernen: Es wird zusammen gewandert, gemeinsam Plätzchen gebacken und vieles mehr.

Start with a Friend e.V. in Tübingen

In Tübingen ist SWAF seit Oktober 2017 aktiv. Momentan besteht das Team in Tübingen aus zwölf Leuten. Das Team unterteilt sich dabei in drei Gruppen: das PR-Team, das Community-Building-Team, das sich um Events kümmert und das Vermittlerteam. Die Vermittler koordinieren die Tandems und dienen als Ansprechpartner für diese. 

Bei einem Treffen mit der Stadtkoordinatorin Maya (Psychologiestudentin) und dem Tandempaar Sternas (studierter Mediziner aus dem Irak und seit zweieinhalb Jahren in Deutschland) und Saskia (Assistenzärztin in der Notaufnahme des Klinikums) haben wir über ihre Erfahrungen mit SWAF gesprochen und darüber, wie der Verein arbeitet.

Kupferblau: Wenn ich Teil eines Tandempaars werden will, wie funktioniert das und wie geht ihr bei der Koordination vor?

Maya: Wer Teil eines Tandempaars werden will, kann unseren Fragebogen ausfüllen. Dort gibt man an, wie alt man ist, was man so macht, was für Interessen man hat und was die eigenen Erwartungen sind. Wir Vermittler treffen uns dann mit den Leuten und schauen, wer zusammenpassen könnte. Wir schicken dem Local dann eine E-Mail mit einer kleinen Vorstellung der Person, die wir für ihn oder sie gefunden haben. Dann geben wir die E-Mail-Adresse weiter und die beiden können sich verabreden. Das Tandem ist dann auf sechs Monate ausgelegt. Danach kann man sich natürlich noch weiter treffen, das ist schon Sinn der Sache, aber so lange sind wir die Ansprechpartner, wenn es Probleme oder Fragen gibt.

Kupferblau: Gibt es bestimmte Anforderungen, die man erfüllen muss?

Maya: Das Einzige, was wir angegeben haben ist, dass man mindestens ein A2-Niveau in Deutsch haben sollte. Wir möchten, dass eine Freundschaft entsteht und dafür muss man sich austauschen können. Wenn ich mich mit jemandem treffe und merke, dass die Sprachbarriere sehr hoch ist, dann weiß ich zwar, dass derjenige unbedingt ein Tandem bräuchte, aber dann sind wir irgendwie nicht die richtige Plattform. Es passiert sonst schnell, dass im Tandem ein Ungleichgewicht entsteht, dass der eine dem anderen nur hilft. Was wir erreichen wollen ist ja, dass es über eine reine Hilfe mit der Sprache hinausgeht und ein Gleichgewicht im Tandem herrscht, sodass eine Freundschaft entstehen kann.

Kupferblau: Wie viele Tandems betreut ihr im Moment in Tübingen?

Maya: 13 aktive Tandems, die jünger sind als sechs Monate. Und dann haben wir nochmal 26, die quasi schon älter sind und nicht mehr an uns gebunden sind. Es gibt Tandems, die schon seit 2017 Kontakt haben und noch immer “zusammen“ sind. Ich finde es sehr schön zu sehen, dass sich die Leute dann auch wirklich verstehen und gemeinsame Interessen haben. Das macht mich dann voll glücklich, wenn sie mir schreiben, dass es gut gepasst hat und dass sie froh sind, sich gefunden zu haben.

Maya, Saskia und Sternas beim Gespräch mit Kupferblau. Sternas: „Es gibt viele Herausforderungen, wenn man nach Deutschland kommt. Aber Schritt für Schritt kann man alles schaffen, glaube ich.“


Kupferblau: Sternas und Saskia, ihr wurdet von den Vermittlern gematched. Seit wann kennt ihr euch und wie gestaltet sich euer Tandem?

Saskia: Wir kennen uns seit Mai 2019. Ich hatte den Fragebogen damals ausgefüllt und nach einem Monat kam dann auch schon eine Mail und wir haben uns verabredet. Das hat dann auch echt gut gepasst. Wir sind beide Mediziner und haben ähnliche Interessen. Ich weiß nicht, wie SWAF das gemacht hat. Jetzt sehen wir uns ein- bis zweimal im Monat und gehen was essen oder trinken und beim Running Dinner von SWAF haben wir auch mitgemacht. 

Kupferblau: Warum habt ihr euch damals entschieden, bei SWAF mitzumachen?

Sternas: Ein Sozialarbeiter im Landratsamt hatte mich auf SWAF hingewiesen. Ich habe mich dafür interessiert, weil ich nicht einfach nur Deutsche beobachten wollte, ich wollte die deutsche Kultur kennenlernen. Es gab auch Vorurteile, die ich hatte, aber es ist immer besser, wenn man selbst hingeht und Kontakte zu den Menschen aufnimmt. Und es hat geklappt! Außerdem wollte ich meine Sprache verbessern und ich glaube, das hat auch gut funktioniert.

Saskia: Ich bin letztes Jahr neu hier nach Tübingen gekommen und hatte den Antrieb, mich in der Stadt ein bisschen zu engagieren. Ich habe mir vorgestellt, dass ich demjenigen helfen kann bei bürokratischen Dingen. Aber wie sich bei Sternas herausgestellt hat, spricht er sehr gutes Deutsch und bekommt auch einiges allein hin  und hat auch schon vieles alleine hinbekommen. Und jetzt ist mein Ziel, ihm ein Praktikum zu organisieren, womit er sein Engagement und seinen Ehrgeiz zeigen kann. Seine Ausbildung und sein Abschluss werden nämlich nicht anerkannt.

Kupferblau: Was konntet ihr bis jetzt aus SWAF mitnehmen?

Sternas: Für mich ist es ein bisschen wie ein Zuhause geworden. Ich weiß, ich habe etwas, wo ich lernen kann, wie die anderen Leute ticken und sprechen. Denn der einzige Weg ist, mit anderen zu reden und aufgeschlossen zu sein. Ich habe durch Saskia auch kennengelernt, wie Deutsche wirklich sind und sehe eben nicht nur das, was auf Facebook steht oder in den Medien über Deutsche berichtet wird. Ich bin sehr froh, dass es diese Möglichkeit gibt!

Saskia: Für mich ist es eine unglaubliche Horizonterweiterung und im Gespräch mit Sternas bekomme ich auch mehr Durchblick, was die ganzen Konflikte angeht und lerne stets Neues.

Wer selbst Teil eines Tandempaars werden möchte oder bei einem der Teams mithelfen will, kann sich bei SWAF unter tuebingen@start-with-a-friend.de melden. Informationen oder geplante Veranstaltungen von SWAF Tübingen findet man auf der Facebook-Seite des Tübinger Standortteams. 
Aufgrund des Coronavirus müssen SWAF leider vorerst alle Offline-Veranstaltungen einstellen. Die SWAF Teams würden sich aber dennoch freuen, euch digital kennenzulernen. 


Fotos: SWAF, Virginia Pech, Friederike Streib

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